Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, also in der mittlern Periode der 
Entwicklungsgeschichte der geologischen Karte, fängt man an — zunächst noch 
schüchtern, dann allgemeiner —, die Terrainplatte ganz wegzulassen. 1 Das hat seinen 
doppelten Grund. Einmal häuften sich die geologischen Aufnahmen und verlangten 
eine kartographische Darstellung auch in kleinsten Zügen, selbst bei nicht zu großem 
Maßstab, andermal konnte die Lithographie mit den vielen Farbtönen, die der geo 
logische Kartendruck erforderte, für eine entsprechende Durchsichtigkeit der oro- 
graphischen Bilder nicht garantieren. Da unter der ,geologischen Schminke“ viele 
Feinheiten der Geländeformen verloren gingen, verzichtete man lieber ganz auf die 
Wiedergabe des Terrains. Eine erklärliche, aber bedauerliche Tatsache. Wo aller 
dings die Voraussetzungen des Vergleichs in so hohem Grade erfüllt sind wie bei der 
geologischen Deutschlandkarte von B. Lepsius, für deren jede Sektion das gleiche 
Sektionsblatt mit der gleichen Situation und der gleichen Schrift der Vogel sehen 
Deutschlandkarte zur Verfügung steht, da kann man ruhig auf die Terrainplatte 
verzichten. Mit Hilfe des gegliederten Flußnetzes und insbesondere der Schrift lassen 
sich die feinsten Züge des geologischen Tableaus im Terrainbild und umgekehrt wieder 
finden. Ich gebe gern zu, daß es bei einer so fein im geologischen Detail ausgeführten 
Karte wie der von Lepsius zu schweren Unzukömmlichkeiten geführt hätte, wenn 
das Terrain noch eingedruckt worden wäre, aber wo es halbwegs angängig ist, daß 
ohne Schaden das orographische Bild mit dem geologischen verbunden werden kann, 
sollte man nicht versäumen, es zu tun, und wenn nur einige Schichten in leichter 
Schraffur durch das geologische Bild durchschimmern, wie — um ein älteres Beispiel 
zu nennen — auf der Agronomisch-geognostiscben Karte von Sachsen, die Henry 
Lange seinem Atlas von Sachsen beigegeben hat. 1 2 Man muß es immer wieder be 
grüßen, wenn durch das geologische Gewand selbst der flüchtigsten Kartierung das 
topographische Gerippe durchblickt, wie z. B. bei A. F. Stahls Geologischer Karte 
vom Karadag 3 oder bei A. M. Heron’s Geologischer Karte des Mount Everest Gebietes. 4 
Hinwiederum muß man es bedauern, daß bei einer Karte wie der Geologischen Struktur 
karte Deutschlands von J. Walther 5 — und mag sie pädagogisch und geologisch 
noch so gut durchdacht sein! — nicht der Versuch gemacht ist, sie auf orographischer 
Grundlage aufzubauen. Bei den geologischen Übersichtskärtchen, die man sogar 
Volksschulatlanten beigibt, mag man, ohne dem Bilde wehe zu tun, von der Wieder 
gabe terrainveranschaulichender Momente absehen, sie sind doch im Grunde ge 
nommen daselbst — wir wollen es nur offen sagen — fast weiter nichts als Zierat. 
Auf den großmaßstabigen Karten, die der geologischen Aufnahme irgendeines 
Staates oder besonders bergmännisch wichtigen Gegenden der Erde gelten, w T ird man 
nicht auf die Wiedergabe des Terrains verzichten. Dem kann um so leichter nach-* 
1 Unter anderm sei hingewiesen auf E. de Verneuil et E. Collomb: Carte geolog. de l’Espagne 
et du Portugal. Paris 1864. [H.- u. St.-Bi. München.] 
2 H. Lange: Atlas von Sachsen. Ein geographisch - physikalisch-statistisches Gemälde. 
F. A. Brockhaus, Leipzig 1860. T. 6. — Die agronomisch-geognostische Karte ist weiter nichts anders 
als die geognostische Karte von Sachsen. T. 4 in demselben Atlas, nur mit Höhenschichtenschraffur 
versehen. Sie ist bearbeitet nach C. F. Naumanns Geognostischer Skizze des Königreichs Sachsen 
in „Gäa von Sachsen“, hg. von H. B. Geinitz. Dresden u. Leipzig 1843. 
3 A. F. Stahl i. P. M. 1904, T. 17. 
4 Die Karte von A. M. Heron ist die 3. Beilage zu C. K. Howard-Bury: Mount Everest. 
Die Erkundungsfahrt 1921. Deutsch von W. Rickmer Rickmers. Basel 1922. 
5 Über J. Walthers Karte s. Anm. 4, S. 306.
	        
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