Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Die geologischen Karten und Verwandte. 277 
auch in projektionstechnischer Hinsicht nicht mehr an Altem, Verschimmeltem 
hängen zu bleiben. 
Schon bei der internationalen geologischen Europakarte hätte man auf eine 
bessere Projektion hinarbeiten können. Um so mehr ist man erstaunt, durch die 
Projektion der geplanten geologischen Weltkarte in 1:5000000 zur alten äquator- 
ständigen, winkeltreuen, sog. stereographischen Projektion zurückgeworfen zu werden, 
zu einer Projektion, die jahrhundertelang das Erdhemisphärenbild beherrscht hat 
und die nun glücklich aus jedem bessern Atlas und Erdhalbenbild hinausgeworfen ist. 1 
Sie bei einem derartig bedeutenden Kartenwerke wie einer großmaßstabigen Welt 
karte wieder aufzuwärmen, ist schon mehr als Anachronismus, ist Atavismus. Ein 
bedauerlicher Irrtum oder starre Voreingenommenheit hat ihr zum Siege verholfen. 
Ich vermute, daß hier Fr. Beyschlag den Ausschlag gegeben hat 1 2 , und J. Ahlburg 
betet ihm nach. 3 Nun hören wir, was für die Anwendung der stereographischen 
Projektion vorgebracht wird. Da „die Weltkarte eine übersichtliche Zusammen 
stellung des geologischen Wissens der Erde anstrebt,“ soll „die Karte in erster Linie 
als Wandkarte verwendbar“ sein. Die Wandkarte, d. h. jede Erdhalbe, denn die 
Weltkarte soll in zwei Halbkugelansichten erscheinen, würde nach meiner Berechnung 
über eine Höhe bzw. Breite von nicht ganz 4 m verfügen, nach Beyschlag 4,5 m. 
Der Hörsaal dürfte wohl vielen erwünscht sein, wo es möglich ist, so große Wand 
karten aufzuhängen. Ob man sie dann noch ohne Leiter oder Opernglas studieren 
kann, ist zweifelhaft, und man wird sich bloß mit dem Hinweis auf allgemeine Züge 
begnügen müssen, falls die Farben einen dabei genügend unterstützen, was aber nur 
in den gröbsten Umrissen möglich ist. Und ist dies bloß möglich, dann ist es nicht 
notwendig, ein Karten-Mastodon an die Wand zu zwängen, wo eine Wandkarte 
kleinern Maßstabes vollkommen genügt. Zu Studienzwecken wird die Weltkarte 
1:5000000 doch Mappenkarte bleiben. Als Wandkarte ist sie mehr oder minder 
illusorisch. Will man ein geschlossenes Halbkugelbild haben, dann waren flächen 
treue Bilder ebenso als „Wandkarte“ vorzuziehen, für vorliegenden Zweck am besten 
das nach E. Hammer. Auch das nach J. H. Lambert hätte sich gleich gut geeignet. 
Man sehe sich doch einmal recht genau die physische Ausgabe der beiden Planigloben- 
karten der Erde an (jede 160 x160 cm), die H. Haack entworfen hat. 
Da die sog. stereographische Karte die Winkeltreue für sich hat, d. h. nur in 
kleinsten Teilen und nicht über größere Flächen (!), gebührt ihr nach Beyschlag und 
Ahlburg der Vorzug. Von den flächentreuen Projektionen sagt ersterer, daß sie „die 
Form der Landumrisse wie die Bichtung der Faltengebirgszüge unerträglich ver 
zerren.“ Nun gut, die Verzerrung muß in Kauf genommen werden, aber gegenüber 
der „Verzerrung der Areale“ ist sie nicht unerträglich. Und es ist nicht bloß eine 
Vergrößerung der Flächen, sondern in der Tat ein9 Verzerrung, ja eine Übertreibung, 
1 Um die stereographische Projektion für die Halbkugelbilder in einem bessern deutschen 
Atlas zu sehen, muß man schon zu einer Ausgabe des großen Stielerschen Atlas zurückgehen, die 
gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts erschienen ist. Heute fristet die Projektion ihr Dasein 
bloß noch in projektionstheoretischen Schriften. 
2 Fr. Beyschlag: Die großen geologischen Übersichtskarten. Z. f. prakt. Geol., Berlin 1913, 
S. 378-383. 
3 Joh. Ahlburg: Die Geologische Karte der Welt i. Maßst. 1 : 5000000. Der Geologe, Aus 
kunftsblatt f. Geologen u. Mineral., zugl. Nachtrag u. Ergänzg. zum Geol. Kalender. Leipzig 1913, 
S. 195-202.
	        
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