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Die See- und Meerkarte.
an der Küste von Neufundland eine zweite Skala, die kleiner als die erstere ist und
sich zur Nordsüdlinie um zwei Strich nach 0 neigt. Außer dieser Karte kennt man
noch ähnliche Karten лот Jahre 1550 und 1612. Die Karten dürften sich keiner
großen Beliebtheit erfreut haben, sonst wären sie sicher im 16. Jahrhundert, in jener
Zeit der Hochflut \ r on Bumbenkarten, mehr nachgeahmt worden. Auch ein anderer
Versuch, der von Domingo Olives aus dem Jahre 1568 1 , scheint wenig Anklang
gefunden zu haben. Er besteht darin, die senkrecht, d. h. nordsüdlich im Karten
bild stehende Breitenskala irgendwo, hier bei 29° n. Br., zu unterbrechen. An der
Unterbrechungsstelle wird die Skala nach W oder О verschoben, im vorliegenden
Falle fast um einen Grad nach W, und verläuft von da aus schräg bis zum Südrand
der Karte, avo der Schnittpunkt der Skala mit dem Kartenrand genau in der Richtung
der ursprünglichen Nordsüdskala fällt.
Am einfachsten verfuhr Willem Barentzoon, der auf der Karte des west
lichen Mittelmeers in seinem Caertboek \'ande Midlandtsche Zee 1595 zwei um einen
Strich gegeneinander geneigte Rumbensysteme zeichnete. 1 2 Für den holländischen
Nautiker wurden auf diese Weise die mittelländischen Karten brauchbar gemacht.
Eins leuchtet nicht ganz ein, warum Barentzoon nur bei dieser einen Karte die neue
Methode anwandte, während sie auf den andern Karten unterblieb. 3 Sollte die eine
Karte, die gleichsam ins Mittelmeer einführte, genügen? Oder fehlten ihm für das
mittlere und östliche Mittelmeer die nötigen Unterlagen? Oder war die Mißweisung
dieser Gebiete damals nicht von Belang? Oder sollte die eine Karte nur ein Versuch
sein? Diese Fragen zu entscheiden, bedürfte noch einer tiefem Untersuchung als
die люп Aug. Wolkenhauer.
Auf einen andern AusAveg und Adelleicht den richtigsten verfiel der große fran
zösische Entdecker und Kolonisator Samuel de Champlain, 1567—1635. 4 Mit
kühnem Griff trennte er die beiden Orientierungselemente auf einem Kartenblatte
und gab jedem eine Sonderkarte. Mithin erschien neben der astronomisch orientierten
Karte noch eine magnetisch orientierte лтп demselben Küstengebiet. Es handelt sich
hierbei um ein Gebiet л т оп Neufrankreich. 5 Während die eine Karte ,,nordet“ (nach
N orientiert ist), zeigt die andere, die auf dem französischen Kompaß basiert, anstatt
N oben NNW, Avas einen Ausschlag gegenüber der wirklichen Nordsüdlinie л т оп 22° 30'
ergibt. Nebenbei sei bemerkt, daß die magnetisch orientierte Karte in Avesentlich
größerm Maßstabe als die astronomisch orientierte entAvorfen ist. Die Herstellung
einer besondern, magnetisch orientierten Karte begründet Champlain damit, daß
„die Schiffer doch nicht von ihrer alten Gewohnheit lassen würden, nach mißweisenden
Karten zu fahren“. Nach Aug. Wolkenhauer ist er der Nautiker, der an der Hand
A 7 on Kartenbeispielen zum ersten Male die Verdrehung von Karten durch die Deklination
erörtert.
Den Bumbenkarten des Mittelalters gegenüber liegt der bedeutendste Fort
schritt in der Beachtung und Wiedergabe des Gradnetzes, das den Aufbau der Karte
1 Vgl. Nordenskiöld: Periplus, T. XXIX.
2 Vgl. Nordenskiöld: Periplus, Karte auf S. 75.
3 Vgl. die Kartenreproduktion bei Nordenskiöld: Periplus, Fig. 29 u. 30; Faksimile-Atlas,
Fig. 21, 23 u. 24.
4 Les voyages dv Sievr de Champlain Xaintongeois, Capitaine ordinaire pour le Roy, en
la marine. Paris 1613. [Hof- u. Staatsbi. München.]
5 Beide Karten sind reproduziert bei Aug. Wolkenhauer, a. a. O., T. VII u. VIII.