Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
führende Scheinresultate sind.“ 1 Aber gelangt man nicht durch Irrtum zur Wahrheit, 
durch fehlerhafte Synthese schließlich zu einem wissenschaftlich brauchbaren Er 
gebnis! Drohen auch die Ergebnisse der Methoden paläogeographischer und paläo- 
ldimatologischer Analysen in den reich fließenden Fehlerquellen zu ertrinken, muß 
demgegenüber mit Fr. Kerner v. Marilaun gesagt werden, daß ohne diese Methoden 
noch viel weniger jemals ein Ziel erreicht wird. — Erst Lapparent, Haug, Schuchert 
und die Deutschen Kayser, Kossmat, Dacqué mußten sich mit der ganzen Wucht 
ihrer wissenschaftlichen Persönlichkeit einsetzen, daß der paläogeographischen Karte 
die Achtung gezollt wurde, die sie verdient. Sie ist eine Rekonstruktions 
karte, auf der das geographische Bild oder das Vorkommen einer Formation 
oder Formationsgruppe zu konstruieren versucht wird, wie es zu jenen Zeiten 
ausgesehen haben mag als die betreffende Formation das Aussehen der Erd 
oberfläche bestimmte. Werden biologische Rekonstruktionen vorgenommen, müssen 
sie auf der soeben gewonnenen Grundlage — nicht auf modernen Erdumriß 
karten, wie es teilweise noch geschieht! — dem terrestrischen und marinen 
Zusammenhänge der Lebensbezirke, die in gleicher Spezies und gleichartigen Formen 
gegeben ist, nachgehen. In ähnlicher Weise müßte, wenn sie gezeichnet würde, die 
Klimakarte der Vorzeit Vorgehen. Ihre Konstruktion steht bisher noch auf sehr 
schwachen Füßen, nicht einmal die Eiszeiten kommen ihr zu Hilfe. 1 2 Die ersten halb 
wegs gelungenen Versuche dieser Art gehen auf Fr. Kerner v. Marilaun zurück, 
indem er Kartenskizzen der stenomorphogenen Januarisothermen Europas vom 35° 
bis 55° N und vom 15° W bis 60° E in den verschiedenen Abschnitten der Tertiär 
zeit und im Altquartär 3 unter Annahme der rekonstruierten Karten von W. D. Mat 
thew 4 entwirft. Ferner hat er ein Kärtchen der morphogenen Juliisothermen über 
Osteuropa und Westasien zur Zeit der Paläodyas auf Grund der für diese Zeit ge 
gebenen Rekonstruktion von Fr. Frech gezeichnet, wie auch für dasselbe Gebiet und 
dieselbe Zeit ein Kärtchen der morphogenen Isodiakrinen. 5 Er selbst betont, „daß 
man nicht die Temperaturen in vergangenen Zeiträumen, sondern nur die den hypo 
thetischen Kartenbildern der Vorzeit entsprechenden Wärmewerte ermitteln kann.“ 6 
Bei seiner paläothermalen Analyse ist er wesentlich von 0. Heer beeinflußt worden. 7 
Da rein objektive Erzeugnisse vorderhand nicht existieren, kann man die 
paläogeographische Karte definieren als den graphischen Ausdruck der Gedanken 
arbeit eines Autors über die Verteilung von Land und Meer und der organischen Welt 
sowie über die Beschaffenheit des Klimas zu irgendeiner bestimmten erdgeschicht 
lichen Periode. Aus dem Wesen der Karte erkennt man, daß ein reichlich Maß 
1 M. Semper: Die Grundlagen paläogeographischer Untersuchungen. Zentralbl. f. Minera 
logie usw. Stuttgart 1908, S. 434—445. 
2 Vgl. M. Semper: Das Klimaproblem der Vorzeit. Geologische Rundschau. I. Leipzig 1910, 
S. 57-80. 
3 Fr. Kerner v. Marilaun: Synthese der morphogenen Winterklimate Europas zur Tertiär 
zeit. Sitz.-Ber. der Kaiserl. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.-naturw. Kl. CXXII. Abt. Ha. Februar 
1913. T. I. 
4 W. D. Matthew: Hypothetica! outlines of the continents in tertiary time. Bull, of the 
American Museum of Nat. History. XXII. New York 1906. 
5 Fr, Kerner v. Marilaun: Untersuchungen über die morphogene Klimakomponente der 
permischen Eiszeit Indiens. Sitz.-Ber. d. k. k. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.-naturw. Kl. CXXVI. 
Abt. I. 2. u. 3. Heft. 1917. S. 52, 53. 
8 Fr. Kerner v. Marilaun: Synthese usw., a. a.O., Anm. a, S. 31. 
7 O. Heer: Flora tertiaria Helvetiae. Winterthur 1855-—1858.
	        
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