Die geologischen Karten und Verwandte.
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Subjektivität in ihr aufgespeichert ist, und nur die Persönlichkeit und wissenschaft
liche Gründlichkeit des Verfertigers muß einen davor bewahren, in ihr nicht mehr
und nicht weniger sehen zu wollen als was sich der Autor in ihr vorstellt. Dabei
ist nicht zu übersehen, daß die paläogeographische Karte ab ovo an Mängeln leidet,
die jeder Rekonstruktion anhaften. Selbst unsere geographischen Landkarten lassen
in den polaren Gegenden noch viel zu wünschen übrig. .Wir wollen jedoch ganz
besonders anerkennen, daß sich der Herstellung paläogeographischer Karten allerhand
Hindernisse entgegenstemmen; die drei Umstände, die sie erschweren oder sie gegebenen
falls geradezu unmöglich machen, sind nach K. Zittel zunächst die Schwierigkeit
einer sichern Ermittlung der unterirdischen Ausdehnung der verschiedenen marinen
Ablagerungen, sodann die Unmöglichkeit einer genauen Berechnung der Menge des
durch spätere Abwaschung (Denudation) entfernten Materials und drittens die Dis
lokationen, die ältere Sedimente durch spätere Verschiebungen gewisser Teile der
Erdoberfläche erlitten haben. 1 Etwas schärfer rückt H. Scupin der Konstruktion
paläogeographischer Karten zu Leibe, wobei er sich von stratigraphischen, lithologischen
und paläoontologischen Gesichtspunkten leiten läßt. 1 2 Ihm kommt es vor allem
darauf an, die Grundlagen paläogeographischer Karten, die er sehr nützlich hält, auf
ihre Stichhaltigkeit als Kartenbauelement zu prüfen und demgemäß zu empfehlen,
bzw. zu verwerfen.
Für die Geschichte der paläogeographischen Karte und die Klärung des gesamten
paläogeographischen Problems hat E. Dacque bis jetzt das meiste geleistet. 3 Seine
Erörterungen und Kritik der Karten sind so gründlich und vorzüglich, daß sozusagen
nichts zu tun übrig bleibt. Und dennoch müssen wir nicht bloß die Hauptpunkte
seiner kartographischen Untersuchung hervorheben, sondern auch in einigen Richtungen
korrigieren und ergänzen. Dacque schätzte die Zahl der bis 1913 erschienenen paläo
geographischen Karten auf reichlich 200. Die diluvialen Eiszeitkarten sind nicht
mit gerechnet; sie allein bilden eine beachtenswerte Gruppe innerhalb der großen
paläogeographischen Abteilung. 4 Seit 1913 ist die Zahl dieser und ähnlicher Karten
1 K. Zittel: Verteilung v. Land u. Meer seit dem mesolithischen Zeitalter. Physik.-stat.
Atlas des Deutschen Reichs. Hg. v. R. Andree u. O. Peschei. II. Bielefeld u. Leipzig 1878, S. 34. —
Für die Methodik der paläogeogr. Karten ist der kurze Abschnitt Zittels nicht zu übersehen.
2 H. Scupin: Die Grundlagen paläogeographischer Karten. Vortrag gehalten i. d. Natur
forscher-Ges. zu Dorpat am 6. April 1922. Dorpat 1924. Acta et commentationes Universitatis
Dorpatensis A. VI. 4. S. 1—40.
3 E. Dacque: Paläogeographische Karten u. die gegen sie zu erhebenden Einwände. Geol.
Rundschau, Leipzig 1913, S. 185—206. — Diese Abhandlung kehrt wieder (erweitert u. verbessert)
in Dacqu6s größerm Werke: Grundlagen u. Methoden der Paläogeographie. Jena 1915, S. 11 — 30,
370—375. — Th. Arldts: Zur Geschichte der paläogeographischen Rekonstruktionen, G. Z. 1914,
S. 197—208, ist eigentlich weiter nichts als eine Umstellung des Inhalts der zuerst von Dacque ge
nannten Schrift, bloß ein wenig nach der paläobiogeographischen Seite erweitert. — Vor Dacque
gab nur E. Schuchert in der ,,Paleogeography of North America“ (1910) eine Zusammenstellung
der Karten.
4 Über die wichtigsten Eiszeitkarten, die bis 1914 erschienen sind, vgl. E. Dacqu6, Grund
lagen, a. a. O., S. 37 — 39. — Ich vermisse bei den Spezialkarten z. B. L. Rütimeyers Karte aus
dessen Abhandlung über Pliocen u. Eisperiode auf beiden Seiten der Alpen. Basel 1876. — Von leicht
zugänglichen Eiszeitkarten seien namhaft gemacht E. Geinitz: Das Stromsystem des postglazialen
Südwest-Balticums während der Landhebung in der Abschmelzperiode, 1 : 500000, P. M. 1903, T. 3;
H. Hess: Die Eisbedeckung i. d. Ötztaler Alpen seit d. Beginn der Eiszeit bis zur Gegenwart, 1 : 250000,
P. M. 1903, T. 7; H. Obermaier: Die quartäre Vergletscherung der Iberischen Halbinsel, P. M.
1921, T. 18. Letztere Karte ist methodisch belanglos.