296
Die anorganische Welt im Kartenbild.
ansehnlich angeschwollen. Selbst in der Darstellungsregion der Wandkarte treten
bereits paläogeographische Karten auf. 1
Die ältesten paläogeographischen Karten und Skizzen gehen zurück auf Gemmel-
laro (1834), Crivelli (1853), Trimmer (1854), Goodwin-Austen (1856), Hebert (1857).
Mit der Herstellung guter Kartenbilder beschäftigten sich zuerst die Franzosen.
Unter ihnen seien F. Canu, G. Vasseur, A. de Lapparent, E. Haug genannt.
Von Frankreich sprang die Entwicklung nach Nordamerika über, wo an ihrer Spitze
Th. C. Chamberlin, R. D. Salisbury, B. Willis und Ch. Schuchert stehen.
Jetzt scheint wieder ein Umschwung vorzugehen und der Schwerpunkt nach Deutsch
land zu rücken, nachdem A. Wegener seine epochemachende Hypothese der großen
horizontalen Kontinentalverschiebungen aufgestellt hat. Wir müssen uns
bescheiden, aus der immerhin schon reichen Literatur wenige, jedoch für die karto
graphische Entwicklung charakteristische Züge herauszuschälen.
Marksteine in der Entwicklung der paläogeographischen Karte sind die Karten
bilder von Canu, Lapparent, Schuchert, Neumayr, Haug, Karpinsky, Koken und
Wegener. F. Canu illustriert auf 57 Karten die ganze paläogeographische Ent
wicklung Frankreichs. 1 2 Die Karten, die mit wahrem Bienenfleiß ausgearbeitet sind,
vermitteln nicht allein eine Vorstellung von den verschiedenen Land- und Meeres
grenzen während der einzelnen Erdzeitalter, sondern auch eine Anschauung von den
zu jenen Zeiten lebenden Pflanzen und Tieren. A. de Lapparent geht über sein
engeres Vaterland hinaus und umfaßt mit seinen Karten außer Frankreich auch
Europa und die gesamte Erde. 3 Die Karten sind übersichtlich und beruhen auf
eigenen, bis ins kleinste durchgeführten Studien der Stratigraphie. Formal wie ihrer
innern Solidität nach bedeuten sie nach Dacque „den Höhepunkt paläogeographischer
Darstellungsweise, zumal er die Meere nicht überall durchzieht, sondern nur dort
durch Schraffuren angibt, wo sie nachgewiesen sind; er erreicht damit, daß der Be
schauer auf den ersten Blick das Subjektive vom objektiv Gegebenen in dem Karten
bild zu trennen weiß“. 4 Den französischen Kartenwerken reihen sich ebenbürtig die
nordamerikanischen von B. Willis 5 und Ch. Schuchert an. 6 Beispielsweise bildet
letzterer die in Nordamerika besonders ausgeprägte Silurzeit allein in 18 Karten ab und
wird dadurch vorbildlich für eine exakte Rekonstruktion vorweltlicher Land- und Meer
grenzen. Zwei Übersichtskarten sind den Epikontinentalmeeren Nordamerikas und den
Landkernen zur paläozoischen Zeit gewidmet. Neben den Meer- und Landgrenzen er
kennen wir auf ihnen den Charakter der Sedimente und die vulkanischen Ergüsse.
Von großem Einfluß auf die paläogeographische Kartenliteratur Deutschlands
wurde M. Neumayrs Weltkarte der Juraformation 7 , durch die zum erstenmal betont
1 M. Fritz: Paläogeographische Erdkarten. 8 Bl. Wien 1916.
2 F. Canu: Essai de paléogéographie. Réstauration des contours des mers anciennes en
France et dans les pays voisins. Paris 1895. Atlas mit Text.
3 A. de Lapparent: Traité de géologie. 1. Aufl. Paris 1885; 5. Aufl. 1906.
4 E. Dacqué: Paläogeogr. K., a. a. O., S. 195.
5 B. Willis: Paleogeographic maps of North Amerika. Journ. of Geol. XVII, 1909, S. 203 — 600.
6 Ch. Schuchert: Paleogeography of North America. Bull. geol. Soc. Am. XX, 1920,
S. 427-606, T. 46-101.
7 Vgl. M. Neumayr: Üb. klimat. Zonen während der Jura- u. Kreidezeit. Denkschr. math.-
naturw. Kl. der k. k. Akad.d. Wiss. in Wien. XLVII. 1883, S. 227—310. 1 Karte. — Die geograph.
Verbreitung der Juraformation. Ibid. L, 1885, S. 57 — 142. 1 Karte. — Erdgeschichte. 2. Aufl.,
II, Leipzig u. Wien 1895, S. 263.