Zur Geschichte der Seekarte.
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von der Zee 1541 zum ersten Male in die Erscheinung tritt. Auch darunter ist nur
eine Segelanweisung zu verstehen, darum nach Breusing die Bezeichnung „See
karte“ weiter nichts als die Übersetzung des alten portugiesischen wie spanischen
„carta de rnarear“. 1
Noch waren bis dahin die Küstenkarten Beilagen zu den „Seekarten“, wie auch
in spätem Zusammenfassungen dieser Art die Vertoonungen und ähnliche Abbildungen.
Da war es Lucas Jansz Waghenaer von Enckhuysen, der die Karte zum Mittel
punkt der Betrachtung machte und die Beschreibungen der Küsten und Häfen nur
zum Begleittext. Unter seinen verschiedenen Seekartenwerken ist am berühmtesten
der „Spieghel der Zeevaerdt“, Leyden 1584, geworden. 1 2 Mit ihm kann man eine
neue Epoche in dem Zeitraum der Geschichte der Seekarte von 1500—1800 beginnen
lassen. Über die Genesis der Waghenaerschen Karten s. weiter unten, wo auch ihre
Bedeutung gekennzeichnet i st. Der Seefahrtspiegel enthält außer einer Generalkarte
46 Spezialkarten. Jede dieser Karten ist mit einem Meilenmaßstab versehen, worauf
spanische Meilen (l r J 1 / 2 — 1°) und deutsche Meilen (15 = 1°) angegeben sind. Das
ergibt einen Verjüngungsmaßstab von etwa 1 : 390000 oder rund 1 :400000. 3 4
Im übrigen waren die Karten in der damals üblichen Art ausgestattet, mit
Kartuschen, Meerestieren, Schiffen. Unentbehrlich war das Kompaßbild mit
seinen Bumben. Die politische Zugehörigkeit des Landes wurde im Gegensatz
zu den mittelmeerischen Rumbenkarten, wo auf den Küstenrand aufgesteckte
Wappenfähnchen die Staatsangehörigkeit des betreffenden Küstenstriches an
zeigten, durch Wappenschilder innerhalb des Landes kenntlich gemacht. Unter
den übrigen Werken Waghenaers ist am bekanntesten der 1592 erschienene Tlire-
soor der Zee-vaert, „der die Vorzüge des Spieghels mit denen einer Seekarte (Segel
anweisung) verbindet“.
Die Art und Weise des ganzen Aufbaues der Karten von Waghenaer bringt es
mit sich, daß sich ihnen wie den mittelmeerischen Rumbenkarten keine Projektion
zugrunde legen läßt. Breitenbestimmungen und Küstenaufnahmen bzw. Küsten
bilder sind die Bausteine des Kartenbildes, die durch den Kompaß in die wünschens
werte Richtung eingerenkt wurden. Ich kann mich auch hier nicht, geradeso wie
bei den Rumbenkarten, zu der Annahme einer „Kombination von Einzelkarten ver
schiedener Entwurfsart“, wie W. Behrmann und H. Wagner emporschwingen. 1
1 A. Breusing: Zur Geschichte der Kartogr., a. a. O., S. 191.
2 Der „Spieghel der Zeevaert“ erschien 1584 zuerst holländisch (man kennt 16 holländische
Ausgaben), 1586 lateinisch (5 Ausg.), 1588 englisch (2 Ausg.), 1589 spanisch, 1589 hochdeutsch (2 Ausg.)
und 1590 französisch (5 Ausg.). Über die Werke Waghenaers vgl. Bibliotheca Belgica. Biblio
graphie générale des Pays-Bas, par le bibliothécaire en chef et les conservateurs de la bibliothèque
de l’université de Gand. Gand et La Haye 1880—1890. I. série. XXVI W. 47 — 69. Auch Behr-
manns Bibliographie über Waghenaer u. andere Seekartenwerke des 15. u. 16. Jh. ist recht voll
ständig, a. a. O., S. 94—110. Erfreulich ist, daß Behrmann auch die einzelnen Bibliotheken namhaft
macht, wo die einzelnen Werke zu finden sind, eine Gepflogenheit, der ich bereits im I. Bd. der Karten
wissenschaft für seltenere und interessante Werke gehuldigt habe.
3 Wie W. Stavenhagen in kartograph. Dingen wieder einmal vorbeigaloppiert ist, zeigt auch
Behrmann. Stavenhagen gibt den Maßstab obiger Karten zu 1 : 3500000 an, vgl. dessen „Skizze
der Entwicklg. u. des Standes des Kartenwesens des außerdeutschen Europa“. P. M. Ergh. Nr. 148.
Gotha 1904, S. 102.
4 Vgl. W. Behrmann. a. a. O., S. 88 u. 90, wo auch die betreffende Stelle aus H. Wagners
Schrift zitiert ist.