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Die anorganische Welt, im Kartenbild.
behandelt, die mir die Erörterung über den Gegenstand leicht macht. Das Wenige,
was ich selbst von magnetischen Karten in in- und ausländischen Bibliotheken ge
sehen habe, finde ich bei Hellmann genügend berücksichtigt. Auf die Ausführlich
keit Hellmanns müssen wir notgedrungen verzichten; um so mehr sei das Studium
seiner Schrift empfohlen.
Innerhalb der großen Gruppe der physischen Karten blicken die erdmagnetischen
Karten auf die längste Entwicklungsperiode zurück. Wir kennen bis zur Gegenwart
rund 350 magnetische Karten und Kartenwerke. Bereits im 16. Jahrhundert wurde
der Erdmagnetismus kartographisch eingefangen, wenn man von den einzelnen Mar
kierungen der Deklination innerhalb einer Kompaßrose auf Karten des 15. Jahr
hunderts absehen will (s. S. 59). Zur magnetischen Abweichung im 16. Jahrhundert
gibt auch Er. Nansen einen kleinen Beitrag. 1 H. Wagner vergißt nicht, auf die
eingetragenen Werte der magnetischen Mißweisung auf der Edw. Wrightschen Karte
von 1599 hinzuweisen. 1 2 In der Geschichte der Wissenschaften findet die frühe Berück
sichtigung erdmagnetischer Erscheinungen ihren guten Grund. Mit der Deklination
der Magnetnadel beschäftigte sich die Nautik schon seit dem 13. Jahrhundert. Die
zahlreichen Beobachtungen, die man zur See gemacht hatte, die weiterhin durch
Naturforscher festgestellt, berichtigt und bereichert wurden und die vor allem die
mannigfachen Abweichungen der Magnetnadel dartaten, mußten schließlich speku
lative Köpfe auf die Idee bringen, in scheinbaren Widersprüchen gewisse Gesetz
mäßigkeiten zu suchen, gemeinsame Züge herauszuschälen und sie durch gemeinsamen
Linienzug zu veranschaulichen. Glaubte man doch, in der magnetischen Deklination
und Inklination ein Mittel zu haben, um geographische Länge und Breite bestimmen
zu können, was für die Schiffahrt von größter Bedeutung gewesen wäre. De^ Boden
für derartige Spekulationen war in den Ländern gegeben, wo die Schiffahrt das Denken
und Fühlen des ganzen Volkes durchzitterte. Wir klopfen darum nicht vergebens
bei Spanien-Portugal und England an.
Der Kosmograph Alonso de Santa Cruz, der berühmte Mathematiklehrer
des jugendlichen Kaisers Karl V., scheint um 1530 die erste allgemeine magne
tische Variations- oder Deklinationskarte gezeichnet zu haben 3 , die nach
der Lage der Dinge für ihre Zeit hauptsächlich die nicht zu zahlreichen Angaben über
Deklinationswerte auf den Kumbenkarten verarbeiten konnte. Verschiedene der
gelehrten Jesuiten, die im 17. Jahrhundert nach Indien und Ostasien gingen, haben
auf ihren Beisen zur See die Deklination beobachtet. Ihre Angaben sammelte ihr
Ordensbruder Athanasius Kircher in dem Werke Magnes sive de arte magnetica
opus tripartitum, Born 1641. 4 Aus diesem Werke wissen wir, daß einer dieser Patres,
Christoph Borri oder Borrus aus Lissabon, um das Jahr 1630 eine von ihm selbst
gezeichnete Karte mit isogonischen Linien dem König von Spanien zur Auffindung
und Bestimmung der Länge zur See angeboten hatte. Er nennt die Linien gleicher
Deklination ,,tractus chalyboclitici“ (abgeleitet von ‘/ctlvcp, /c/.loßoi; der Stahl und
xh'aiq die Neigung).
1 Fr. Nansen i. P. M. 1912, I, S. 8-12.
2 H. Wagner i. P. M. 1915, S. 476; dazu T. 56.
3 A. v. Humboldt: Kosmos. IV. Stuttgart u. Tübingen 1859, S. 171 Anm. — Mit der Ge
schichte der Deklinationsbestimmung beschäftigt sich Felgenträger: Die längste nachweisbare
Sekularperiode der erdmagnetischen Elemente. Diss. Göttingen 1892.
4 Ath. Kircher: Magnes etc. Rom 1641; Colon. Agripp. 1643; Romae 1654.