Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
Gliederung der Gebirge kommt auf Übersichtskarten großem Maßstabes noch wenig 
zur Anschauung. Die Strukturformen der Faltengebirge geben dankbare Stoffe zur 
Kartierung. Mir ist bis jetzt noch keine Karte entgegengetreten, die die Oberflächen 
formen der Flachschichtung veranschaulicht. 
Neben der Darstellung der Flußsysteme, die wir von alters her kennen, müßte 
an die der Wasserzufuhr gedacht werden, die die Flüsse das Jahr über für den Ozean 
leisten. Das könnte schematisch durch die Stärke der Flüsse versinnbildlicht werden, 
besser durch farbige, verschieden dicke Bänder, die den Wasserläufen entlang laufen. 
Daß die vulkanologischen Karten weiter auszubauen sind, ist gebührend berück 
sichtigt worden. Die differenzierte Erdbebenkarte dürfte uns noch manche Über 
raschungen bieten, insbesondere Aufschluß bringen über die Verteilung der Boden 
schwingungen bzw. Bodenunruhe, die wir mit dem Horizontalpendel oder der Wasser 
wage wahrnehmen. Auch die Größe der Schwingungen läßt sich ins Kartenbild 
umsetzen. Andere Karten dürften zeigen, wie die Schwingungen verlaufen, wo sie 
verebben und wieder einsetzen. 
E. de Martonne hat bereits eine Karte der Erosionsformen gezeichnet. Sie 
ist zu klein und bedarf der Durchdringung und Wiederholung in größerm Maßstabe. 
Dasselbe wäre auch von verschiedenen Erosionsformen zu sagen, die ihr Augenmerk 
vorzugsweise auf das Agens zu richten hätten u. v. a. m. Wer würde nicht die Erd 
karte begrüßen, die uns die Gebiete der wirklich nachgewiesenen Gletschererosion 
zeigte. 
Lücken in der atmosphärischen Kartographie werden die folgenden Kapitel 
enthüllen, noch mehr die gewaltigen Lücken in der Kulturgeographie. Mit diesem 
Hinweis will ich das vorliegende Kapitel schließen, das bei aller guten Absicht lücken 
haft ist und für alle Zukunft lückenhaft bleiben wird. 
B. Die atmosphärisch bedingten Karten. 
I. Die klimatographischen Karten. 
134. Zur Geschichte der Isothermenkarte. 1 Die ersten isothermischen 
Karten haben vor nicht zu langer Zeit ihr Zentenarium gefeiert. Ausgerüstet mit 
der Kenntnis der neuesten Entdeckungen der Chemie seiner Zeit, hatte A. v. Hum 
boldt schon in frühen Jahren, wie er selbst sagt, „seinen Blick auf die großen Er 
scheinungen der Meteorologie geheftet“. 1 2 Bei dem Forschungstrieb, der ausgezeichneten 
Beobachtungsgabe und der Genialität wissenschaftlicher Synthese, die ihm eigen 
waren, ist es kein Wunder, daß er der Schöpfer der modernen vergleichenden Klimato 
logie wurde. Bloßes Beobachten führt bloß zu einer Beobachtung, und würde die 
Summe der Beobachtungen nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten bearbeitet 
und zusammengefaßt und die Erscheinungen unter empirische Gesetze gebracht, 
1 Zur Geschichte der meteorolog. K. vgl. vor allem G. Hellmann: Neudrucke von Schriften 
u. Karten über Meteorologie u. Erdmagnetismus. 15 Bde. Berlin 1893 — 1904. Die Einleitungen 
sind reich an geschichtlichen und bibliographischen Nachweisen. 
2 A. v. Humboldt: Versuche üb. die chemische Zerlegung des Luftkreises u. üb. einige andere 
Gegenstände der Naturlehre. Braunschweig 1799, S. 150.
	        
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