Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die klimatographischen Karten. 
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würde sich schließlich ein Wust von Tatsachen anhäufen, mit dem nichts anzufangen 
wäre; oder, wie W. C. Witt wer im Hinblick auf das Wirken Humboldts sagt: „Es 
muß daher von Zeit zu Zeit eine größere oder kleinere Menge derselben (sc. Tatsachen) 
unter einer bestimmten Norm als Partialgesetz zusammengefaßt werden, und die 
Lücken zwischen mehreren derselben, die nach und nach ausgefüllt werden sollen, 
geben einen Fingerzeig, auf was wir bei den Untersuchungen unsere Aufmerksamkeit 
zu richten haben, wobei die mittlerweile gelegentlich eintretende Auffindung von 
Beobachtungsmitteln wie Instrumenten zu Hilfe kommt.“ 1 Erscheint uns heute 
dieser methodische Wink ganz selbstverständlich, mußte zu Humboldts Zeiten erst 
nachdrücklichst darauf aufmerksam gemacht werden, damit der bis dahin vielfach 
nur unsicher tappenden wissenschaftlichen Forschung bleibendere Werte erwuchsen. 
A. v. Humboldt selbst gab ein klassisches Beispiel der von ihm gewünschten Unter 
suchungsmethode in seiner berühmten Abhandlung „Des lignes isothermes et de la 
distribution de la chaleur sur le globe“, Paris 1817 1 2 , indem er die Mittelwärme ver 
schiedener Örtlichkeiten bestimmte und sie einem kartographischen Versuch zugrunde 
legte, auf dem zum ersten Male die Orte gleicher Temperatur durch Kurven verbunden 
wurden, die er Isothermen nannte. Wie er selbst bekennt, w r ar er dazu durch Halleys 
Isogonenkarte angeregt worden 3 ; und v r ie es Halley für den Erdmagnetismus geglückt 
war, so hat Humboldt die Erscheinungen der Wärme unter empirische Gesetze gebracht. 
Sehen wir uns die Karte etwas genauer an. 4 Sie ist kein graphisches Kunst 
werk. Obwohl sich Humboldt in seiner Abhandlung auch über den Verlauf der Linien 
gleicher Sommer- und Wintertemperatur ausspricht, hat er sie graphisch nicht fest 
zuhalten versucht. Seine Karte beschäftigt sich lediglich mit den Jahresisothermen, 
die er auf das Meeresniveau reduziert hat. Wie gewissenhaft A. v. Humboldt bei 
der Zeichnung der Isothermenkarte vorging, geht daraus hervor, daß er sich, w r eil 
ihm nicht genügendes Beobachtungsmaterial vorlag, gewissermaßen scheute, die 
Festlandumrisse in seiner Karte aufzunehmen. Nur die vier eingeschriebenen Namen 
Europa, Asien, Amerika und Atlantischer Ozean müssen genügen, die Lage der Kon 
tinente anzudeuten. Humboldts Karte umfaßt nur die Nordhemisphäre und gibt 
sechs Isothermenlinien von 5 zu 5°. Nach gewissenhafter Prüfung konnte Humboldt 
zur Konstruktion seines Isothermenbildes nur das Beobachtungsmaterial von 
58 Stationen benutzen, wovon 43 in Europa, 11 in Amerika und je 2 in Asien und 
Afrika lagen. Dagegen verwandte H. W. Dove 1848 zum Entwurf der Isothermen 
karte der Erde die mittlern Monatstemperaturen von 900 Stationen und 1864 bereits 
von reichlich 2000 Beobachtungsorten. Infolge der geringen Anzahl einwandfreier 
Beobachtungsreihen war es A. v. Humboldt nicht möglich, eine eingehendere Dar 
stellung des Isothermenverlaufs zu geben. Er hat darum das Problem auch ganz 
1 W. C. Wittwer: Alexander v. Humboldt. Sein wissenschaftliches Leben u. Wirken. Leipzig 
1861, S. 143. 
2 Diese Abhandlung A. v. Humbolds erschien im 3. Bde. der Mémoires de physique et de 
chimie de la Société d’Arcueil, Paris 1817, S. 462 — 602. — In deutscher Übersetzung hat Humboldt 
die Abhandlung „Üb. die isothermen Linien“ aufgenommen in seinen kleinern Schriften (wovon nur 
1 Bd. erschienen ist), Stuttgart u. Tübingen 1853, S. 206—314. 
3 A. v. Humboldt: Kosmos, IV, Stuttgart u. Tübingen 1858, S. 59. 
4 Die Karte ist selten, sie erschien zuerst im Sonderabdruck der Humboldtschen Abhandlung. 
Reproduziert finden wir sie im 8. Hefte der von G. Hellmann herausgegebenen „Neudrucke von 
Schriften u. Karten üb. Meteorologie u. Erdmagnetismus“, Berlin 1897. und bei W. Meinardus 
(s. folgende Anm.) auf T. 1. 
Eckert, Kartenwissensckaft. II. 
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