Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
allgemein behandelt und knüpft bloß allgemeine Schlußfolgerungen an seine Unter 
suchungen, von denen wir noch einige hervorheben werden; die Wiedergabe detaillierter 
Angaben verweist er in das Aufgabengebiet künftiger Spezialkarten. Aber schon 
sehen wir auf der Zeichnung die nach Norden wachsende Wölbung der Isothermen 
an der Westküste von Europa. Vor allem bekundet der Aufbau der Karte, daß die 
graphische Darstellung immer da Zweck und große Vorzüge hat, wo man mit der 
reinen Mathematik nicht ausreicht. 
Durch seine Arbeit und seine Karte hat A. v. Humboldt die klimatologische 
Forschung gefördert, wie niemand vor ihm; und W. Meinardus weist nach, daß 
damit eine neue Epoche in der klimatischen Forschung beginnt. 1 Die Wellenkreise 
wissenschaftlicher Bewegung, die von Humboldts gewaltigem Wurf ausgingen, schwingen 
heute noch weiter. Er selbst beleuchtet die Bedeutung seiner neuen graphischen 
Methode mit folgenden Worten: ,,L’emploi des moyens graphiques jettera beaucoup 
de jour sur des phénomènes qui sont du plus haut intérêt pour l’agriculture et pour 
l’état social des habitans. Si, au lieu de cartes géographiques, nous ne possédions 
que des tables renfermant les coordonnées de latitude, de longitude et de hauteur, 
un grand nombre de rapports curieux qu’offrent les continens dans leur configuration 
et leurs inégalités de surface, seraient restés à jamais inconnus“ 1 2 ; und Meinardus fügt 
dem bei : ,,In der Tat ermöglicht die Darstellung der Wärme Verteilung durch isotherme 
Linien nicht nur den Überblick über das gesamte einschlägige Beobachtungsmaterial, 
sie offenbart auch auf die anschaulichste Weise die Beziehungen, welche größtenteils 
in einer unübersichtlichen Zusammenstellung von endlosen Zahlenreihen für immer 
verborgen bleiben würden: Die Beziehungen zu der wechselvollen Gestaltung der 
Erdoberfläche.“ 3 
Seitdem hat man oft versucht, die Punkte, in denen die Mitteltemperaturen 
des Jahres, des Sommers und des Wiüters halbwegs genau ergründet worden sind, 
durch Linien miteinander zu verbinden. 4 War man vor A. v. Humboldt der An 
sicht, daß die mittlere Wärme eines Jahres sich durch die halbe Summe des be 
obachteten Maximums und Minimums ausdrücken ließ, erkannte er, gestützt auf 
seine pflanzengeographischen Beobachtungen, daß die mittlere Jahrestemperatur 
aus dem arithmetischen Mittel aller Tageswärmen oder aus den mittlern Monats 
temperaturen gewonnen werden muß. Das Mittel mehrerer Jahres wärmen ergibt 
die mittlere Temperatur eines Ortes. 
Humboldts Methode der Konstruktion von Isothermen war, wie angedeutet, 
für alle spätem Isothermenkarten maßgebend. Die Methode wurde wohl vertieft 
und bessere Reduktionen auf das Meeresniveau herbeigeführt, was aber lediglich eine 
Folge des breiter und reichlicher fließenden Beobachtungsmaterials war. Vorzugs 
weise kam dies der Genauigkeit der Isothermen zugute. Dadurch, daß die Isothermen 
immer mehr von dem ebenmäßigen Verlauf der Humboldtschen Linien abwichen, 
wurden sie größer. „Man könnte geradezu einen Maßstab für die zunehmende Genauig 
1 W. Meinardus: Die Entwicklung der Karten der Jahres-Isothermen von Alex. v. Humboldt 
bis auf Heinrich Wilhelm Dove. Wiss. Beiträge z. Gedächtnis der hundertjährigen Wiederkehr des 
Antritts von Alex. v. Humboldts Reise nach Amerika am 5. Juni 1799 (Humboldt-Centenarschrift). 
Hg. v. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin. Berlin 1899, S. 7. 
2 A. v. Humboldt: De lignes isothermes etc., a. a. O., S. 53. 
3 W. Meinardus, a. a. O., S. 8. 
4 Vgl. auch A. v. Humboldt: Kosmos, I, Stuttgart u. Tübingen 1845, S. 340.
	        
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