Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die klimatographischen Karten. 
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Schließlich sei nicht versäumt, eine große Unterlassungssünde der Isothermen 
karten zu brandmarken, nämlich den Verzicht auf jegliche Terrainangabe. Keine 
Karte hängt mit der orographischen Gestaltung des Landes so eng zusammen wie 
die Isohypsen- oder die Isobarenkarte. Erst in neuester Zeit dämmert der Gedanke, 
daß das Terrain nicht so arg wie bisher zu vernachlässigen ist. Deshalb muß es freudig 
begrüßt werden, daß der erwähnte Klima-Atlas von Deutschland auf seinen Karten 
tunlichst das Terrain widerspiegeln läßt. Ist es auch nicht detailliert ausgeführt, 
sind wir schon mit seiner großzügigen Wiedergabe zufrieden. Hoffentlich können 
wir bald sagen: Exempla trahunt. 1 
138. Isothermen uml nächste Verwandte. Unter allen Isarithmenlinien ist 
neben der Isohypse und Isobathe die Isotherme im allgemeinen die Linie, die am 
leichtesten verstanden wird. Man könnte sagen, daß durch A. v. Humboldt die 
Erkenntnis der Isotherme weit früher als die anderer derartiger Linien inauguriert 
wurde; indessen ist anzunehmen, daß der ständige Einfluß der Wärme auf den 
Menschen diesen seit alters her veranlaßt hat, dem Problem seine besondere 
Aufmerksamkeit zu schenken. Die Isobare ist der großen Menge heute noch 
unverständlich, weniger die Isotherme. Diese hat gewissermaßen schon einen 
populären Zug, was ihr aber nicht zum Nachteil angerechnet werden soll. Außer 
dem wagt sie sich in Darstellungsgebiete hinein, die lediglich für den Wissen 
schaftler oder irgendeinen Sonderinteressenten sind. Wir erinnern vorderhand nur 
an die Isanomalen, die wir aber kaum, wie wir noch sehen werden, als nächste 
Verwandte ansprechen dürfen. 
Die nächsten Verwandten der Isothermen sind offenbar die Linien, die wir 
ohne Reduktion erhalten. Mit der Reduktion auf das Meeresniveau wurde der 
Begriff der „idealen“ Wärmeverteilung oder Temperatur in die Meteorologie und 
zugleich in die Klimatologie eingeführt. Indes kann die Karte in ihrem großen 
Tätigkeitsbereich auf die Darstellung der „realen“ Temperatur nicht verzichten, 
also auf Temperaturen, wie sie sich ohne Reduktion außer aus Talstationen auch 
aus Höhenstationen ergeben. Das erweist sich als notwendig, wenn es sich um die 
Veranschaulichung der Flächen verschiedener mittlerer Wärme für kulturgeographische 
Zwecke handelt. Die Wärme- und Klimakarten haben sich diese Veranschaulichungs 
art zu eigen gemacht. Ihre Untersuchung wollen wir dem folgenden Sonderkapitel 
überweisen. In Deutschland hat W. Koppen das meiste zur kartographischen 
Klärung des Klimaproblems beigetragen. Den Begriff des Schwellenwertes 
zwischen den einzelnen Klimagrenzen hat er eingeführt. Er brachte auch die Frage 
nach der Temperaturdauer in Fluß. Für viele naturhistorische Phänomene, 
unter denen die pflanzengeographischen obenan stehen, ist die Temperaturdauer 
von ausschlaggebenderer Bedeutung als der Wärmegrad. Hat man sich diesen Ge 
danken zu eigen gemacht, dann drängt sich von selbst auf, wie wir bei Koppen ge 
sehen haben, die Temperatur nicht auf den Meeresspiegel zu beziehen, damit die 
Karten ein Bild der wirklichen Verbreitung der mittlern Dauer der genannten Wärme- 
1 Etwas später als G. Hellmanns Klimaatlas von Deutschland ist erschienen E.Oteteli- 
sanu: Die Temperaturverhältnisse von Rumänien. Atlas. Bukarest s. a. (1922). Hg. vom Institutul 
meteorologic central al Romäniei. — Vergleicht man beide Atlanten miteinander, da erkennt man 
so recht, was deutsche Wissenschaft und deutsche Kartographie gegenüber dem Ausland zu leisten 
vermag. Der rumänische Atlas muß sich weiter hinter dem deutschen verstecken. 
Eckert, Kartenwissenschaft. II, 23
	        
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