Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
gewiesen, daß sie die Wassertiefe in „brasse“ beim niedrigsten Stand der Ebbe an- 
zeige. Die französische „brasse“ (Faden, Klafter) enthielt fünf pieds = 1,624197 m, 
ein nautisches Maß, das heute noch gebraucht wird. Anbei sei bemerkt, daß die 
schönen Kupferstichkarten des Neptune françois mit Handkolorit weiter bearbeitet 
sind; die Sandbänke hat man durchgängig gelb ausgemalt, die Küsten grün, die Ort 
schaften rot. Kleine Inselchen hat man je nach ihrer Wichtigkeit für die Seefahrt 
durch verschiedene Farben hervorgehoben. 
Die Farbe fand auf den Seekarten ein großes Betätigungsfeld, besonders auf 
denen, die romanischen Ursprungs waren. Zu wahren Farbensymphonien schwingen 
sich die Seekartenmanuskripte empor, die uns neben den gedruckten Seekarten noch 
bis zum Ende des 17. Jahrhunderts begegnen und die in ihrer Ausführung — auch 
vielfach auf Pergament — ganz den alten Bumbenkarten entsprechen, aber im übrigen 
neuern Anforderungen in bezug auf Angabe von Tiefen, Ankerplätzen, Küsten darstellung 
usw. Guérard von Dieppe hat wohl das Farbenprächtigste geleistet. Seine Manuskript 
karte von den Inseln Majorka, Minorka (1680) und andern benachbarten festländischen 
Küstengebieten befinden sich noch im Service Hydrographique zu Paris. An gleicher 
Stelle finden wir ein prächtiges Manuskript (1599) von dem Holländer J. Dirck. 1 
Die Bibliothèque Nationale bewahrt gleichfalls wertvolle Seekartenmanuskripte aus 
dem 16. und 17. Jahrhundert (so von Diego Homen oder Homem, Cavallini, Soäo 
Teyxeira, F. Duval usw.) und Seekartenfaksimile. Im Diego-Homen-Atlas hat sogar 
die Goldfarbe zur Zeichnung der zwei bis fünf Millimeter breiten Küstenbänder her 
halten müssen. Doch auch das Britische Museum in London ist nicht leer an der 
artigen Manuskriptkarten, wie beispielsweise eine von J. Oliva herrührende Kollektion 
von Seekarten beweist. 1 2 Ähnliches wissen wir auch von italienischen Manuskript 
sammlungen. 
Nach wie vor wurden die Seekarten von den Bumbenrosen beherrscht. Nur 
wenige gingen dagegen an, w y as erst im 18. Jahrhundert geschah. Schüchtern wagte 
man, die Bumben wegzulassen und die Kartenfläche mit einem Gradnetz zu über 
spannen. Der erste Versuch dieser Art weist nach England hinüber und scheint in 
dem Atlas maritimus et commercialis von J. und J. Knapton, W. und J. Innys, 
London 1728, vorzuliegen, zu dem Edm. Halley die Einleitung geschrieben hat. 3 
Ferner zeigt der Atlas keine Vertoonungen, dagegen reichlich Tiefenangaben und 
zahlreiche Einzelheiten. Die Karten sind mit einem ausführlichen Gradnetz ver 
sehen. Für Übersichtskarten wurde die Mercatorprojektion verwendet. Mit dem 
Atlas maritimus läßt sich in vieler Hinsicht der Seeatlas vergleichen, den 
S. v. Schmettau im Aufträge der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1749 
herausgegeben hat 4 und der neben einer Generalkarte zwölf Partikularkarten enthält. 
Die Karten sind durchgängig in Mercatorprojektion entworfen und die Gradnetz- 
1 Jean Dirck: Du cap Finistère au cap des Trois-Pointes et côtes correspondantes d’Amérique, 
ainsi que les iles entre 0° et 52° de Lat. Nord. 1599. 
2 A collection of sea charts, drawn and illuminated on vellum. J. Oliva fecit in civit. liburni 
anno 1638. 
3 Atlas maritimus et commercialis ; or a general view of the world so far as relates to trade 
and navigation . . . together with a large account of the commerce carried on by sea between the 
several countries of the world, as likewise of all inland trade by means of navigable rivers . . ., to 
which are added sailing directions for all the known coasts and islands on the globe. J. & J. Knapton, 
W. & J. Innys. London 1728. [Br. M. London.] 
4 Auch „Isaac Brouckner’s Nouvel atlas de marine“ genannt.
	        
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