Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die pflanzengeographische Karte. 
389 
müssen einzelne Pflanzenfamilien gleichfalls entweder zum Teil der Erdoberfläche 
eigentümlich sein oder doch wenigstens ein entscheidendes Maximum daselbst be 
sitzen. Schouw’s Einteilung ging mithin von der Anzahl der Arten aus. Ihr mehr 
oder weniger zahlreiches Auftreten in einer Gegend war maßgebend. Das wurde 
sogar rechnerisch festgelegt, indem durch Bruchzahlen das Verhältnis der einzelnen 
Pflanzenfamilien zur Gesamtheit der (damals bekannten) Phanerogamen ausgedrückt 
wurde. 1 Das waren auch die Richtlinien für den Aufbau der Pflanzenkarten im 
Berghaus sehen Atlas. 
Die andern Karten der pflanzengeographischen Abteilung des alten Berghaus 
unterscheiden sich insofern von der genannten Übersichtskarte, als sie das klima- 
tologische Moment berücksichtigten. Isotheren und Isochimenen überziehen die 
Kartenbilder von Europa und Deutschland; in die Länder werden einfach die Pflanzen 
familien mit angehängten Bruchzahlen hineingeschrieben. Das war die ganze botanisch 
kartographische Darstellung. Mit andern Worten, es ist gar keine Karte, sondern 
bloß ein statistisches Kartogramm. Eine beigegebene Weltkarte in Mercatorprojektion 
schwingt sich höher. Wohl bringt sie ebenfalls die Isotheren und Isochimenen, wendet 
jedoch das Flächenkolorit an, um die Verbreitungsbezirke (Zonen) der wichtigsten 
Kulturgewächse zu zeigen. Links und rechts der Karte finden sich die Abbildungen 
tropischer und subtropischer Pflanzen, die im Kartenbild genannt sind. Das Karten 
blatt fesselt weiter durch die Spezialkärtchen, die der Verbreitung einzelner tro 
pischer Gewächse, wie Kakao und Coka, Cinchonen, Zuckerrohr, Kaffee, Tee und 
Piper nigrum, gewidmet sind. Damit wird ein kartographischer Weg gezeigt, den 
jedoch zu beschreiten die Zeit noch nicht reif war. 
Die Vegetationskarte nach Schouw war ein totgeborenes Kind, Ihre rechnerische 
Methode war ihr Todeskeim. Da vor hundert Jahren die botanischen Kenntnisse 
unserer Erde noch zu ungenügend waren, insbesondere in den Tropen, trotz Humboldt, 
Bonpland u. a. m., hat die Karte keinen andern als provisorischen Charakter. Schon 
zu ihrer Zeit wurden über die Schouwsche Einteilung berechtigte Zweifel laut. Die 
Folge war, daß in der Entwicklung der Vegetationskarte eine Stockung eintrat, die 
weder durch allgemeinere Karten, wie die Botanische Weltkarte von J. Reynolds 1 2 , 
noch durch wenige speziellere geobotanische Karten, wie wir sie von Frankreich 
und Spanien aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kennen 3 , be 
hoben wurde, auch nicht durch solche Karten, wie sie in C. Fr. Ph. v. Martius’ 
Flora brasiliensis Vorlagen. Die botanische Wissenschaft mußte sich teils vertiefen 
teils methodisch erweitern, sie mußte mit einem Wort ,,biogeographisch“ werden, 
um der Kartographie triebweckende Impulse zu geben. Die klassischen Werke von 
A. Grisebach 4 und A. Engler 5 gaben die meiste Anregung. Die Werke von 
1 Wenn z. B. in der Flora des tropischen Amerika die Familie der Labiaten den Bruch 1 / 40 
hat, heißt das so viel, daß sie den vierzigsten Teil sämtlicher Phanerogamen bildet, daß sie mithin aus 
3880 /40 = 97 Spezies besteht. 
2 Botanical map showing the distribution of plants and their cultivation over the world. 
J. Reynolds. London (1850?). [Br. M. London.] 
3 Man vgl. den Bericht von R. Lorenz über die kartographischen Darstellungen auf der Pariser 
Weltausstellung 1867. P. M. 1867, S. 367, 369. 
4 A. Grisebach: Vegetation der Erde in ihrer klimatischen Anordnung. Leipzig 1872. 
2. Aufl. 1884. 
5 A. Engler: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt. Leipzig. I. 1879. 
II. 1882.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.