Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

390 
Die organische Welt im Kartenbild. 
O. Drude 1 und A. F. W. Schimper 1 2 schließen sich würdig an. Die Wurzel der 
neuern pflanzengeographischen Karte reicht eigentlich weiter zurück als man nach 
den eben genannten Werken vermuten könnte. Ich erblicke sie in A. Grisebachs 
Karte der Vegetationsgebiete der Erde 3 aus dem Jahre 1866. Sie bringt zum ersten 
Male in Flächenkolorit die arktisch-alpine Flora, sodann 13 amerikanische Floren, 
12 kontinentale der östlichen Hemisphäre und schließlich die ozeanischen Inselfloren. 
Seitdem ist sie öfters wiederholt worden und ist in zahlreiche ausländische und in 
ländische Werke und Atlanten gewandert. Sie hat Pate für viele spätere Karten 
gestanden. In den Erläuterungen zur Karte hat Grisebach zugleich die Richtlinien 
für die Konstruktion pflanzengeographischer, insbesondere biogeographischer Karten 
gegeben. Er ging davon aus, daß die Grundlage der speziellen Pflanzengeographie 
in der Bestimmung naturgemäßer Grenzen für die einzelnen Vegetationsgebiete 
liegt. Für alles weitere Schaffen in den folgenden Jahrzehnten wurde sein Satz 
wichtig: „Um vergleichbare und in sich durch gemeinsamen Naturcharakter ver 
bundene Räumlichkeiten zu erhalten, bleibt nur eine klimatologisch-physiognomische 
Einteilung übrig und hierauf ist daher der Begriff der natürlichen Floren zu be 
gründen, mit der Berücksichtigung zugleich der geographischen Absonderungen.“ 4 
Zwei große Kartengruppen bildeten sich mehr und mehr heraus, die eine hatte 
zum Sujet die Verbreitung einzelner Sippen, die andere den Vegetationscharakter 
der Landschaft. Nicht bloß die Pflanzenphysiognomie gewann, sondern vor allem 
die Pflanzenphysiologie, gefördert durch die Erforschung der Abhängigkeit der 
Pflanzenwelt von Licht, Wärme, Feuchtigkeit und Boden, schließlich auch vom 
Menschen. Die Pflanzenschichtung in vertikaler Richtung — die Pflanzenregionen — 
kannte man längst. Ihre sichere Einstellung in horizontaler Richtung — die Pflanzen 
zonen — wurde herbeigeführt, als man die Verbreitung der Vegetationsformationen 
mit Hilfe der Isothermen- und Regenkarten untersuchte. Die Ausdrücke ,,Zonen“ 
in der Ebene und „Regionen“ in den Gebirgen führen auf Grisebach zurück. Mit 
der 20° Jahresisotherme wurde die tropische Pflanzenzone von der gemäßigten ge 
trennt und diese wiederum von der polaren durch die Kraft der Sommertemperatur, 
die sich in dem geringem oder tiefem Auftauen des Bodens auswirkt. Aus der Er 
kenntnis der Abhängigkeit der Pflanzen vom Wasser gestalteten sich die Unterschiede 
von Xeraphyten, Hygrophyten und Tropophyten (Schimper). Klima und Lage be 
einflussen die Lebensdauer der Pflanzen. Die Berücksichtigung beider Faktoren 
hat die Phänologie geschaffen. 
Grisebach gab uns den Begriff der „Pflanzenformation“, die die Gemeinschaft 
der Pflanzen darstellt, die durch gleiche Klima- (und Boden-) bedingungen zu 
sammengehalten werden. Man könnte auch von „Lebensgemeinschaften“ sprechen. 
Die chemischen und physischen Eigenschaften des Bodens sind für Pflanzenart 
und Pflanzenwuchs von großer Bedeutung. Viele Pflanzen sprechen wir als „boden 
1 Unter den Werken von O. Drude seien genannt: Die Florenreiche der Erde. Ergh. 74 zu 
P. M. 1884. — Atlas der Pflanzen Verbreitung. Gotha 1887, in Berghaus’ Physik. Atlas. — Handbuch 
der Pflanzengeographie. Stuttgart 1890. 
2 A. F. Schimper: Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage. Jena 1898. 2. un- 
veränd. Aufl. 1908. 
3 A. Grisebach: Die Vegetations-Gebiete der Erde. In Mercatorproj. Äquatormaßstab 
1: 111000000. P. M. 1866, T. 3. 
4 A. Grisebach: Die Vegetations-Gebiete der Erde, übersichtlich zusammengestellt. P. M. 
1866, S. 45.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.