Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

392 
Die organische Welt im Karfcenbild. 
andere Gebiete von großem Nutzen sein. Mit Punktsignatur bezeichnet J. Kein dl 
auf seiner Karte der „Weininseln Nord- und Mitteldeutschlands“ 1 das ehemalige 
Ausbreitungsgebiet der Weinkulturen, mit wagerechten Strichen die jetzigen An 
pflanzungen. Außerdem ist die frühere Polar- und die heutige Polargrenze der Rebe 
eingetragen. Einen bemerkenswerten Versuch hat Ernst H. L. Krause gewagt, 
indem er eine „Florenkarte von Norddeutschland für das 12.—15. Jahrhundert“ 
entworfen hat. 1 2 Im Flächenkolorit erscheinen die Florenprovinzen, die Wald 
lichtungen darinnen in roten und schwarzen Strichsignaturen; die spezielle Ver 
breitung einzelner Bäume bzw. Baumfamilien wird durch Grenzlinien, die in ver 
schieden gestaltete und angereihte Punkte und Striche aufgelöst sind, angedeutet. 
Daß die floristischen Geschichtskarten dünn gesät sind, ist leicht erklärlich. Sie 
sind das Ergebnis langwieriger Studien, und ihre Herstellung hat oft mit großem 
Schwierigkeiten als die rein historische Karte zu kämpfen. 
Eine andere Gattung der floristischen Geschichtskarten würde die sein, die 
auf Alter und Entwicklung der Floren gleichzeitig Rücksicht nehmen. Es sind 
Karten, die wohl auf die gegenwärtige Verbreitung der Pflanzenwelt aufgebaut sind, 
aber in ihrem kartographischen Kolorit zu erkennen geben müßten, ob es sich um 
alte oder junge oder Mischfloren handelt. Alte Floren sind beispielsweise die tropi 
schen Kontinentalfloren, deren Entwicklung ungestört seit der Tertiärzeit erfolgte, 
ferner die Flora des Kaplandes und Australiens, sogenannte Inselfloren. Wo die 
Pflanzenwelt sich nicht ungestört seit der Tertiärzeit entfaltet hat, und der Boden 
zeitweise mit Wasser oder Eis bedeckt war, wie in Norddeutschland, haben sich die 
jungen Floren angesiedelt. Zwischen beiden Floren vermitteln die Mischfloren 
der Länder, die wohl seit der Tertiärzeit ihr Klima änderten, jedoch ohne die großen 
Interimszeiten im Wachstum wie die Länder mit jungen Floren. Typisch für die 
Mischfloren ist Ostasien und das mediterrane Gebiet. 
Floristische Geschichtskarten sind in gewissem Sinne auch die Phyte- 
migrations- oder Pflanzenwanderungskarten. Sie sind wichtig zur Erklärung 
für das Zustandekommen der gegenwärtigen Verteilung der Pflanzen. „In den 
Pflanzeneinwanderungen und der Bildung von Adventivfloren sehen wir auch heute 
noch eine allmähliche Umgestaltung der Flora sich vollziehen.“ Karten, die diesen 
Verhältnissen gerecht werden, sind bis jetzt spärlich gesät. 0. Drude hat in dem 
Atlas der Pflanzenverbreitung 3 auf zwei Erdhalben die hauptsächlichen Entwicklungs 
gebiete und Wanderungslinien (von Florenreichen) eingetragen. Das Entwicklungs 
gebiet erscheint als Kern, der je nach den Florenreichen farbig ausgemalt ist; von 
ihm gehen Strahlen, die Wanderungslinien aus, die in einem Pfeil enden. Mit der 
Stärke der Linien werden Hauptzüge, schwächere und wenig ausgeprägte Züge der 
Verbreitung angedeutet. Diese Art Karten müßten in größerm Maßstab und im 
einzeln mehr durchgearbeitet wiederholt werden. Von hohem Interesse wäre es, 
einen Atlas der Pflanzen Wanderungen zu besitzen, in dem einer jeden wichtigen 
Kultur- und Wildpflanze oder Pflanzensippe ein Blatt gewidmet ist. Ferner fehlen 
kartographische Darstellungen der Pflanzenwanderung in Längsrichtung, also den 
1 J. Reindl: Karte der „Weininseln“ Nord- u. Mitteldeutschlands. 1: 2000000. Mitt. d. 
Geogr. Ges. in München, I, 1904 (1906). 
2 E. H. L. Krause i. P. M. 1892, T. 18. 
3 [ O. Drudes Atlas bildet die 5. Abt. in Herrn. Berghaus’ Physik. Atlas. Gotha 1892. siehe 
T. Nr. 1 (44).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.