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Die organische Welt im Karfcenbild.
andere Gebiete von großem Nutzen sein. Mit Punktsignatur bezeichnet J. Kein dl
auf seiner Karte der „Weininseln Nord- und Mitteldeutschlands“ 1 das ehemalige
Ausbreitungsgebiet der Weinkulturen, mit wagerechten Strichen die jetzigen An
pflanzungen. Außerdem ist die frühere Polar- und die heutige Polargrenze der Rebe
eingetragen. Einen bemerkenswerten Versuch hat Ernst H. L. Krause gewagt,
indem er eine „Florenkarte von Norddeutschland für das 12.—15. Jahrhundert“
entworfen hat. 1 2 Im Flächenkolorit erscheinen die Florenprovinzen, die Wald
lichtungen darinnen in roten und schwarzen Strichsignaturen; die spezielle Ver
breitung einzelner Bäume bzw. Baumfamilien wird durch Grenzlinien, die in ver
schieden gestaltete und angereihte Punkte und Striche aufgelöst sind, angedeutet.
Daß die floristischen Geschichtskarten dünn gesät sind, ist leicht erklärlich. Sie
sind das Ergebnis langwieriger Studien, und ihre Herstellung hat oft mit großem
Schwierigkeiten als die rein historische Karte zu kämpfen.
Eine andere Gattung der floristischen Geschichtskarten würde die sein, die
auf Alter und Entwicklung der Floren gleichzeitig Rücksicht nehmen. Es sind
Karten, die wohl auf die gegenwärtige Verbreitung der Pflanzenwelt aufgebaut sind,
aber in ihrem kartographischen Kolorit zu erkennen geben müßten, ob es sich um
alte oder junge oder Mischfloren handelt. Alte Floren sind beispielsweise die tropi
schen Kontinentalfloren, deren Entwicklung ungestört seit der Tertiärzeit erfolgte,
ferner die Flora des Kaplandes und Australiens, sogenannte Inselfloren. Wo die
Pflanzenwelt sich nicht ungestört seit der Tertiärzeit entfaltet hat, und der Boden
zeitweise mit Wasser oder Eis bedeckt war, wie in Norddeutschland, haben sich die
jungen Floren angesiedelt. Zwischen beiden Floren vermitteln die Mischfloren
der Länder, die wohl seit der Tertiärzeit ihr Klima änderten, jedoch ohne die großen
Interimszeiten im Wachstum wie die Länder mit jungen Floren. Typisch für die
Mischfloren ist Ostasien und das mediterrane Gebiet.
Floristische Geschichtskarten sind in gewissem Sinne auch die Phyte-
migrations- oder Pflanzenwanderungskarten. Sie sind wichtig zur Erklärung
für das Zustandekommen der gegenwärtigen Verteilung der Pflanzen. „In den
Pflanzeneinwanderungen und der Bildung von Adventivfloren sehen wir auch heute
noch eine allmähliche Umgestaltung der Flora sich vollziehen.“ Karten, die diesen
Verhältnissen gerecht werden, sind bis jetzt spärlich gesät. 0. Drude hat in dem
Atlas der Pflanzenverbreitung 3 auf zwei Erdhalben die hauptsächlichen Entwicklungs
gebiete und Wanderungslinien (von Florenreichen) eingetragen. Das Entwicklungs
gebiet erscheint als Kern, der je nach den Florenreichen farbig ausgemalt ist; von
ihm gehen Strahlen, die Wanderungslinien aus, die in einem Pfeil enden. Mit der
Stärke der Linien werden Hauptzüge, schwächere und wenig ausgeprägte Züge der
Verbreitung angedeutet. Diese Art Karten müßten in größerm Maßstab und im
einzeln mehr durchgearbeitet wiederholt werden. Von hohem Interesse wäre es,
einen Atlas der Pflanzen Wanderungen zu besitzen, in dem einer jeden wichtigen
Kultur- und Wildpflanze oder Pflanzensippe ein Blatt gewidmet ist. Ferner fehlen
kartographische Darstellungen der Pflanzenwanderung in Längsrichtung, also den
1 J. Reindl: Karte der „Weininseln“ Nord- u. Mitteldeutschlands. 1: 2000000. Mitt. d.
Geogr. Ges. in München, I, 1904 (1906).
2 E. H. L. Krause i. P. M. 1892, T. 18.
3 [ O. Drudes Atlas bildet die 5. Abt. in Herrn. Berghaus’ Physik. Atlas. Gotha 1892. siehe
T. Nr. 1 (44).