424
Die organische Welt im Kartenbild.
Karten, die Reichenow unter Mitwirkung von G. Hartlaub gezeichnet hat, sind
nicht bloß methodisch sondern auch kartographisch die wertvollsten Karten in
Marshalls Atlas der Tierverbreitung. Wieweit Reichenows Karten und Hinweise
„bei einem allgemeinen Entwurf einer zoologischen Einteilung der Erde, wie wir
ihn von der Zukunft erwarten“ 1 von Einfluß geworden sind, habe ich bis jetzt nicht
feststellen können.
Hie ältere Einteilung von Sclater, die gleichfalls aus dem Studium der Ver
breitung der Vögel hervorging und die zwei großen Verbreitungsgebiete Paläogäa
für die Alte Welt und Neogäa für die Neue Welt unterschied, hat schon 1868 durch
T. H. Huxley eine Abänderung erfahren, indem er auf Grund der Einteilung der
Tiere in der mesozoischen Erdperiode die höhere tiergeographische Einheit von
Eurasien, Afrika und Nordamerika betonte und sie als Nordwelt oder Arktogäa
der südlichen Ländermasse oder Notogäa gegenüberstellte. 2 Hier möchte ich ein-
fiigen, daß vor Huxley sich L. Rütimeyer mit der Frage der Verbreitung der Tiere
in geologischer Hinsicht beschäftigte. Seine „Karte zur Andeutung der Geschichte
der Verbreitung der Säugetiere“ bringt die Tierwelt der nördlichen und südlichen
Kontinentalmasse, und zwar die der erstem mit diluvialem, pliocenem, miocenem
und eocenem Gepräge und für Südamerika mit besonderer Modifikation des miocenen
Gepräges. 3 Auch die Notogäa sehen wir besonders behandelt. Die Karte Rüti-
meyers war eine bedeutende Leistung für ihre Zeit. Sie ist auf andere Karten und
Erwägungen nicht von dem Einfluß geworden, zu dem sie durch ihre Originalität
prädestiniert erschien.
Zur Notogäa gehören Australien, Neuseeland, Hawaii, Polynesien, Neuguinea
und benachbarte Inseln, getrennt durch die später von Reichenow schärfer erfaßte
Linie, die östlich der Philippinen, von Celebes und der javanischen Inselgruppe ver
läuft. Um die Klarstellung der Tierwelt Inselindiens wie Südasiens hat sich Fritz
Sarasin große Verdienste erworben. 4 Das Gebiet vom mittlern Nordamerika, etwa
von der Breite der kanadischen Seen an, bis zur Südspitze von Südamerika bleibt
als Neogäa bestehen. Nach diesem Einteilungsprinzip hat R. Lydekker seine Karte
der Verbreitung der Säugetiere (s. S. 415), sodann A. Jacobi seine Karte der Tier
gebiete der Erde für Säugetiere und Vögel entworfen. 5 Diese Karte klingt wieder
in A. Supans Karte der Faunengruppen und -reiche. 6 Was wir bei Jacobi in der
Neogäa als nordboreales Reich — ungefähr die heutigen Vereinigten Staaten um
fassend — von dem neotropischen geschieden sehen, heißt bei Supan „sonorisches
Reich“, eine Bezeichnung, die auf A. Heilprin zurückführt 7 , und das neotropische
1 Obige Worte bilden den Schluß der Erläuterungen zu A. Reichenows beiden Vogelkarten
in Marshalls Atlas der Tierverbreitung, Gotha 1887, S. 5. — Vgl. auch d. K. in „Die Vögel“. Hdb.
der System. Ornithologie. I. Stuttgart 1913, sowie in Zoolog. Jahrbücher. III. Jena 1888: „Die
Begrenzung zoogeogr. Regionen vom ornithol. Standpunkt.“
2 T. H. Huxley i. Proc. Zool. Soc. London 1868, S. 314.
3 L. Rütimeyer: über die Herkunft unserer Tierwelt. Eine zoogeogr. Skizze. Mit 1 K.
Programm der Gewerbeschule Basel, 1867. — Wieder abgedruckt mit Karte im I. Bd. der Gesammelten
Kleinen Schriften von L. Rütimeyer. Basel 1898.
4 Fr. Sarasin: Über die Geschichte der Tierwelt von Ceylon. Zoolog. Jahrbücher, hg. von
J. W. Spengel. Suppl. 12. Jena 1910, S. 1 — 160, dazu 6 Kn. auf 3 Tafeln.
5 A. Jacobi: Tiergeographie. Samnilg. Göschen, Nr. 218. Leipzig 1904. K. 1.
6 A. Supan: Grundzüge der physisch. Erdkunde. 6. Aufl. Leipzig 1916, T. XX.
7 A. Heilprin: The geographical and geological distribution of animals. London 1887.
2. Aufl. 1894.