Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Die tiergeographische Karte. 
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Gebietes geographisch zusammen, die in einem andern Gebiet nicht angetroffen 
werden. Diese Einteilung ist, wie wir sahen, mehr von genetischem als biologischem 
Prinzip beherrscht. Ist letzteres auch nicht ganz auszuschalten, hat doch die Biologie, 
die Lehre vom lebenden Tier, die Einteilung nicht so beeinflußt, das wir sie als 
eine biologische ansprechen könnten. Nach Pucheron zeigt die Tierwelt eines Landes 
einen gewissen „faunistischen Charakter“, die sich in der Anpassung an die geophysi 
kalischen Eigenschaften des Landes offenbart. Wir sprechen sodann von den bio 
logischen Eigentümlichkeiten der Tierwelt der verschiedenen Länder oder Regionen 
bzw. Zonen. Den Ebenen und Steppen sind Lauf-, Grab- und Springtiere eigentümlich, 
den Wäldern Klettertiere usf. Auf Grund dieser Beobachtungen ist man zu einer 
andern Einteilung in zoologische Provinzen wie Wallace gekommen. Sie kartographisch 
wiederzugeben, fällt nicht schwer. Meyers Großes Konversationslexikon springt 
hier wieder mit einer entsprechenden Karte ein. Sie bedient sich des Elächenkolorits 
und ist nach E. L. Trouessart 1 wiedergegeben und betitelt sich: Die tierischen 
Verbreitungszonen nach ihrer physikalischen Beschaffenheit. 1 2 Mit Rot wird das 
arktische Gebiet hervorgehoben. In Grau erscheinen die nördliche und die süd 
liche Wälderzone, mithin Hauptgebiete der Klettertiere. Die Grab-, Lauf- und 
Springtiere verweisen uns auf die nördlichen und südlichen Steppen- und Wüsten 
zonen, die gelblich dargestellt sind. Die mittlere Wälderzone, die gleichfalls durch 
Klettertiere charakterisiert ist, spricht in Blau zu uns. 
Mit den biologischen Charakterformen sind nicht die zoologischen zu ver 
wechseln. Mit deren Hilfe können wir gleichfalls Provinzen der Tierverbreitung 
herausschälen. Die Grenzen sind weniger geophysikalisch bedingt, deshalb laufen 
sie mehr ineinander, und man bedient sich infolgedessen bei ihrer Darstellung 
mehr der Grenzlinie als der Flächendeckung. So sind z. B. die Affen und Halbaffen 
in der Hauptsache an die Tropen und deren Nachbarschaft gebunden, ebenso die 
Beutel- und Kloakentiere. Die Fledermäuse dagegen sind Kosmopoliten. Am 
besten wird man jeder Gruppe eine besondere Darstellung widmen und gegebenen 
falls diese noch gliedern, wie man es bereits auf Karten der Raubtiere, Nagetiere, 
Wiederkäuer usw. getan hat. Man beachte, daß bei all diesen Einteilungen fast 
immer von den Säugetieren ausgegangen wird. Sie sind eben am augenfälligsten 
und lassen sich verhältnismäßig leicht beobachten, sowohl im höchsten Norden wie 
in den Tropen und in antarktischen Gebieten. 
Für die Karten, die die zoologischen Charakterformen berücksichtigen und 
die Erde darnach einteilen, wäre vielleicht die Bezeichnung physiognomische 
Karten nicht unpassend, indem sie auf das allgemeine Gepräge der in ihnen ent 
haltenen Lebewelt gestützt sind. 3 Zweifellos gibt für den Zoologen die Einteilung 
der Erde nach Charakterformen einzelner Tierfamilien ein anschauliches, zum 
mindesten ein instruktives Bild, nicht für den Geographen. Da muß schon ein 
geographisches Moment, ähnlich wie wir es oben bei der Karte von Trouessart ge 
sehen haben, mit hineingearbeitet werden, # sei es, daß eine allgemeine geographische 
Benennung mithelfen muß, sei es, daß durch allgemein bekannte oder vom Klima 
1 Auf das neuere Werk von E. L. Trouessart: La distribution géographique des animaux, 
Paris 1922, sei besonders hingewiesen. 
2 Meyers Großes Konversationslexikon, a. a. 0., 1909. K. zum Artikel „Säugetiere“. Bd. 17 
bei S. 636. 
3 L. Rütimeyer: Gesammelte Kleine Schriften, a. a. O., S. 149.
	        
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