Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
beide nicht immer Typisches oder Verallgemeinertes, sondern auch einfache Reali 
täten. Von diesem Gesichtswinkel aus die Kulturkarte betrachtet, mehren sich die 
Karten mit politischem Grenz- oder Flächenkolorit. Auch die Völkerkarte in Flächen 
deckung will nichts Typisches zeigen sondern bloß die Verbreitung der verschiedenen 
Völker. Darum müssen bei der Flächendeckung deren beide Funktionen wohl von 
einander geschieden werden. Große Schwierigkeiten erwachsen der Flächendeckung 
bei Erscheinungen, die sich nachbarlich überschieben oder durchkreuzen und die 
in En- und Exklaven noch Berücksichtigung erheischen. Hindernisse bäumen sich auf, 
denen die heutige Kartographie kaum oder noch nicht gewachsen ist. Nur die Zer 
gliederung in Einzelheiten kann etwas aus dem Dilemma helfen. 
Grenzlinien und Flächendeckung können zuletzt selbst die Ausdrücke von 
Mittelwerten sein. Wir werden hingeführt zu der Konstruktion von Isarithmen 
und mehr oder weniger verwandten Kurven. Zwischen den Kurven findet sodann 
die nötige Flächendeckung statt. Bei veischiedenen Untersuchungen wird es er 
wünscht sein, die isarithmisch begrenzten Flächen ihrer starren Grenze zu berauben 
und harmonische Übergänge zu schaffen. 
Andere Karten tragen außer Ort, Quantität und Qualität dem motorischen 
Element Rechnung. Vorzugsweise äußert es sich in der Bewegungsrichtung. Über 
die Bewältigung des Raumes informieren uns viele Karten. Selbst die Zeit wird im 
Kartenbild eingefangen. Von den Geschichtskarten sehe ich bei dieser Betrachtung 
ab. Durch Zeichen und Farbe wird beispielsweise sehr gut gezeigt, in welcher Zeit 
und in welchen Etappen die Besiedelung Nordamerikas von 0 nach W vor sich ge 
gangen ist. Indirekt springt das zeitliche Moment heraus, wenn verwandte Karten 
bilder aus verschiedenen Epochen miteinander verglichen werden. Auf jeden Fall 
sind Raum und Zeit geeignet, die kartographischen Methoden zu befruchten. Er 
haben ob Raum und Zeit gibt es keine Karten, obwohl man an gewisse ethische 
Karten denken könnte. Indessen sind sie, wie wir sie auch drehen und wenden 
wollen, immer ein Spiegelbild einer Kulturerscheinung eines bestimmten Zeit 
abschnittes. Zuletzt darf man auch von der Karte nicht zuviel verlangen. Ihr sind, 
wie wir des öftern betonten, Schranken gesetzt, die zu überwinden über ihrer Kraft 
liegt. Wenn sie das könnte, würde sie jegliche Beschreibung überflüssig machen. 
Aber gerade die Kulturkarte bedarf der Beschreibung, mehr als die topographische. 
Kulturkarte und Beschreibung Hand in Hand führen die Geographie vorwärts und 
damit ein gut Stück Menschheitsgeschichte. 
165. Geschichtliche Streiflichter. Die Kulturkarte ist so alt wie die Karto 
graphie selbst. Die ältesten Karten, die wir bereits nach ihrer topographischen Seite 
hin gewürdigt haben, wie die nubische Goldminenkarte 1 , sind Kulturkarten. Nur 
wenige mittelalterliche Karten gibt es, die nicht verstreute Andeutungen über Kultur 
zustände brächten, ja viele strotzen geradezu voller Kulturangaben. Selbst die 
Routenkarten machen da keine Ausnahme. Am bevorzugtesten waren neben macht - 
politischen Bezeichnungen religiöse, kirchliche Anspielungen und Andeutungen. 
Rom wird als Bischofs- (Pabst-) Stadt besonders auffällig bezeichnet, wie auf der 
Europa-Radkarte Lamberti filii Onulfi, 1120, desgleichen auf der berühmten 
Peutingersehen Tafel. Auf der Rumbenkarte von Georgio Calapoda 1552 ist Rom 
1 M. Eckert, a. a. 0., S. 401.
	        
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