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Die See- und Meerkarte.
seits in vielen Teilen vollständig veraltet, andererseits sehr ungleichwertigen und
nicht kontrollierbaren Ursprungs war. Für das Hydrographische Bureau der Deutschen
Admiralität erwuchsen darum in Jahre 1872 sehr wichtige Aufgaben: zunächst einmal
diejenigen Teile der deutschen Küste, von denen deutsches Original-Vermessungs-
material nicht vorhanden war, namentlich von Holstein, Mecklenburg und Lübeck,
neu zu vermessen, und sodann aber auch die Pflicht, sämtliche Seekarten in einer
dem damaligen Stande der Kartographie entsprechenden Form und technischen
Vollendung zu veröffentlichen.
7. Die neuere Entwicklung der deutschen Seekarte. Im Hinblick auf die großen
Aufgaben, die sich das Hydrographische Bureau gestellt hatte, wurde 1872—1874
der südwestliche Teil der Ostsee, von dem bisher nur dänische Aufnahmen vorhanden
waren, neu vermessen. In der Nordsee konnte man sich vorderhand mit den Küsten
messungen von 1868—1870 genügen lassen und stellte die bereitstehenden Kräfte
allgemeinen Tiefseelotungen in der Nordsee zur Verfügung, damit endlich eine erste
deutsche Segelkarte des für die deutsche Schiffahrt so wichtigen Gebiets, für dessen
Durchsegelung bisher nur englische, auch in dem Kriegsjahr 1870, und dänische
Karten vorhanden waren, geschaffen werden konnte. Weiterhin vermehrten sich
die Aufgaben des Hydrographischen Bureaus, da es durch die inzwischen begonnene
neue preußische Landestriangulation und die gesteigerten Anforderungen der Handels
und Kriegsmarine an eine Seekarte gezwungen wurde, auch den Küsten der Ostsee,
die durch den auf etw^a 30 Jahre alte Vermessungen beruhenden preußischen See
atlas dargestellt waren, ein neues sicheres Bild zu verleihen.
Die vielen neuen Aufgaben, die an das Hydrographische Bureau herantreten,
konnten aber nur gelöst und verwirklicht werden, wenn die Bearbeitung und Heraus
gabe der Karten in die Hände tüchtiger Kartographen gegeben wurde. Da w T ar es
seit 1875 A. Welcher, ein Schüler Petermanns, der auch in dem Hydrographie
Office der Vereinigten Staaten Gelegenheit gefunden hatte, sich über die dort maß
gebenden Gesichtspunkte für nautische Zwecke zu informieren und sich ein eigenes
Urteil zu bilden. Seine Eigenart ist den deutschen Seekarten aufgeprägt und ist
auch maßgebend geblieben. Sie wurde liebevoll weitergepflegt nach Welckers Tode
(1888) durch den Kartographen L. Schmidt. Für die weitere Ausgestaltung des
Seekartenwerks, für die Organisation des dazu gehörigen Arbeiterstabes, für die nie
rastende Entwicklung und Vervollkommnung der deutschen Seekarten gebührt
Schmidt uneingeschränkte Anerkennung. Und wenn die deutsche Seekarte heute
nicht nur den Vergleich mit andern ähnlichen Werken des Auslandes aushält, sondern
den bisher besten Kartenwerken in dieser Richtung vielfach überlegen ist, wollen
wir dies ganz offen den Verdiensten von Schmidt beirechnen, eben weil er streng be
müht war, einen einheitlichen Stil in Inhalt und Form durchzuhalten. Das hydro
graphische Bureau erhielt im Dezember 1879 die Bezeichnung „Hydrographisches
Amt der Admiralität“; 1893 wurde es zur „Nautischen Abteilung des Reichs-Marine
amts“, und nachdem die Aufgaben immer größer und umfangreicher wurden im März
1908 zum „Nautischen Departement“, womit seine Gleichstellung den andern großen
Gruppen des Reichs-Marineamts gegenüber besiegelt wurde. 1
1 Daß heute das Nautische Departement zur Nautischen Abteilung einer Marineleitung im
Reichswehrministerium bestimmt ist, halte ich nur für eine vorübergehende Erscheinung.