Völkerkarten.
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unfreiwilligen Wanderungen im Großen Ozean zeigt. 1 Der Karte liegt eine Zeichnung
der Meeresströmungen zugrunde; ohne diese wäre sie nicht gut verständlich. Mit
blauen Linien werden die Fahrten mit vorherrschenden Wind- und Strömungs
richtungen angegeben, mit roten die Fahrten gegen den Wind.
Da die Linie das von Haus aus Gegebene ist, Völkerbewegungen und Richtungen
zu veranschaulichen, kann es nicht auf fallen, ihr fast ausnahmslos auf den Völker
wanderungskarten zu begegnen. Das war früher so und ist heute nicht anders. Auf
den Völkerkarten im alten Berghaus (ethnographische Karten von Afrika, Nord-
und Südamerika) sehen wir die Linien in Pfeile aufgelöst, um die hauptsächlichsten
Wanderströme hervorzuheben. Höhern Wert erhält die Linie, wenn es möglich ist,
ihr das Wanderjahr anzuschreiben, wie es P. Langhans auf einem Kärtchen zur
Übersicht der Wanderungen und Kolonien der Mennoniten in Rußland getan hat. 2
Heute wie vor Jahren ist es ein dringendes Derideratum einen Atlas der
Völkerwanderungen zu schaffen. Wir haben noch nicht einmal eine Übersichts
karte für die germanischen Wanderungen, die um so nötiger wäre, je mehr durch
unsere Schuldispositionen und eine zerhackte, zersplitterte Chronologie die Kunde
von diesen Wanderungen auseinanderfällt. Wie nützlich wäre es aber daneben auch
ein Kartenbild von den hunnischen, türkischen, arabischen, malaiischen, Bantu-
und indianischen Wanderungen zu geben und damit die Möglichkeit der Vergleichung,
dieser Grundlage aller Wissenschaft.
Um die Völkerwanderungen und -bewegungen aufs Kartenbild zu bannen, bedarf
es eines vielseitigen gediegenen Wissens. Nicht bloß Anthropologie und Linguistik
geben die nötigen Fingerzeige der Forschung, sondern auch — was aber leider viel
fach vernachlässigt worden ist — die Geschichte. Alle drei im engen Bund ver
mögen das nötige Licht in den Völker Wirrwarr zu bringen. Daß man damit selbst
einem scheinbar unentwirrbaren ethnischen Chaos Herr zu werden vermag, hat
Hutter mit seiner Völkerkarte von Kamerun gezeigt. 3 Mit Farbennuancen und
Schraffierungen werden 14 Stämme unterschieden. Die in liegender Schrift ein
geschriebenen Namen (z. B. Duala, Margki, Mattafall) bezeichnen Unterabteilungen
der volklichen Hauptstämme, die im Flächenkolorit erscheinen. Die eingestreuten
farbigen volklichen Bestandteile sind in Wirklichkeit nicht an den in der Karte ge
wählten Platz gebunden. Die jeweilige Signatur besagt nur, daß diese Elemente
in dem Hauptvolkgebiet Vorkommen, wie die Fulbe und Araber.
Nicht bloß die Linie, auch die Farbfläche ist geeignet, historische, genetische
Zusammenhänge zu veranschaulichen. Das klingt zunächst absonderlich, gewinnt
aber an Realität und Beweiskraft, sobald die Farbe dem Vergleiche dienstbar ge
macht wird. G. Gerland selbst hat die besten Karten dieser Art bisher gegeben.
Wo finden wir beispielsweise ein Gegenstück zu der Karte, die uns die Völkersitze
um 1500 und 1880 zeigt? 4 Auf keiner Karte ist jemals die Europäisierung so ver
blüffend und eindringlich gezeigt worden wie hier. Bei der Betrachtung der Karte
wird es uns mit einem Male verständlich, warum wir die Europäisierung der Erde
als die großartigste und gewaltigste wirtschaftliche und kulturelle Erscheinung be-
* O. Sittig i. P. M. 1890, T. 12.
2 P. Langhans i. P. M. 1898, T. 12.
3 Hauptmann a. D. Hutter: Versuch einer Völkerkarte von Kamerun. 1 : 5000000. Globus
LXXXVI, 1904, T. 1.
4 G. Gerland: Atlas der Völkerkunde. Gotha 1892, T. VI, Nr. 06.