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Die organische Welt im Kartenbild.
bezeichnende Tempo kommt gut zur Darstellung. Auch die Karten zeigen die Ver
änderungen im Siedlungsplan, die ein Niederschlag der offiziellen Maßnahmen zur
Bevölkerung oder Entvölkerung eines bestimmten Gebietes sind. Hierher würden
wir die Karte rechnen, die P. Langhans über die Tätigkeit der Ansiedlungs
kommission für die Provinzen Westpreußen und Posen (1886—1896) entworfen hat. 1
Das permanente Wohnen hat die verschiedenen Wohnformen (Grund -
pläne) und Baustile der Wohnsitze herbeigeführt. Die verschiedenen Grund
pläne, die sich beispielsweise in Deutschland in Rundlingen, Gewann-, Haufen-,
Straßen-, Waldhufen-, Marschendörfern usw. äußern, kennen wir (S. 145, 157),
nicht aber den Bautyp. Und dieser, also der gemeinsame äußere Habitus der
Wohnungen, die Art des Wohnens ist gleichfalls von Wichtigkeit für die Erkenntnis
einzelner Völker und Stämme, daß es zu einem dringenden Postulat wird, Karten
zu entwerfen, die den Hausbau der verschiedenen Völker versinnbildlichen, die also
darstellen würden, wo man in Zelten oder auf Bäumen, wo in Pfahldörfern oder in
Höhlen wohnt, wo die Bauernhöfe einsam liegen, und wo sie sich zu Rund- und
Reihendörfern zusammenschließen, aber nicht bloß für einzelne Länder, sondern
für Kontinente, ja für die gesamte Erde. Da werden uns erst die Augen aufgehen
über viele verwandte oder ähnliche Züge, die sich in Gebieten zeigen, die oft weit
voneinander entfernt sind. Wenn wir Felsenwohnungen im westlichen Kleinasien,
in Innerasien und in Indien finden, ist dies gewiß nicht zufällig. Für kleinere, ge
schlossenere Gebiete haben wir bereits eine Reihe bemerkenswerter Beiträge.
J. A. Fries gibt uns auf seiner ethnographischen Karte des nördlichsten Gebietes
von Europa an, ob die Einwohner in Erdhütten wohnen oder nicht, ob sie ge
zimmerte Hauser besitzen. 1 2 Eine ziemliche Berühmtheit erlangte seinerzeit die
Karte der Dorfformen Deutschlands zu A. Meitzens Werke über Siedlung und
Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten, Römer. Finnen und
Slawen. 3 Tiefer schürft die Arbeit von W. Peßler über das altsächsische Bauern
haus in seiner geographischen Verbreitung. 4 Rot unterstrichene Ortsnamen zeigen
auf den Peßlerschen Karten die Orte mit noch vorhandenen echten Sachsenhäusern,
grün unterstrichene die Orte mit umgebauten Sachsenhäusern, und blau unterstrichene,
wo das Sachsenhaus seit Menschengedenken verschwunden ist. Mit starkem roten
Strich wird sodann zur bessern Orientierung und zum Vergleich die niederdeutsche
Sprachgrenze angegeben. Noch mehr ins einzelne kann gegangen werden, wenn es
sich z. B. um die Bestimmung des Ausbreitungsgebietes der ,,'Vierkanter“, jener
festungsartigen, allseitig geschlossenen Einzelhöfe im Vorlande der österreichischen
Kalkalpen handelt. Dankenswert sind diese Spezialkarten, sie werden stets ihren
Wert behalten; aber wie gesagt, es müßten auch mal größere und umfassendere Ent
würfe gewagt werden. Den Anfang dazu hat G. Gerland mit zwei Erdhalbe-
Kärtchen ,,Wohnung“ gemacht 5 , worauf die Verbreitungsgebiete der (ethnographischen)
Wonungstypen farbig angelegt sind. Leider sind die Kärtchen zu winzig, um die
1 P. Langhans i. P. M. 1896, T. i).
2 J. A. Fries, s. oben S. 447, Anm. 2.
3 A. Meitzen: Siedelung u. Agrarwesen der Westgermanen u. Ostgermanen, Kelten, Römer,
Finnen, Slawen. 3 Bde. mit 1 Bd. Tafeln. Berlin 1895.
4 W. Peßler: Das altsächsische Bauernhaus in seiner geograph. Verbreitung. Braunschweig
1906. Mit 3 K.
5 G. Gerland, a. a. O., T. V, Nr. 65 (Nebenkärtcheri).’