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Die organische Welt im Kartenbild.
Bewohner der gesamten Erde. Die Karte blickt uns in buntfarbigem Flächenkolorit
an. Mit Rot werden die Gebiete bedeckt, wo völlige Nacktheit herrscht, mit Braun
die, wo die Kleidung von Tierfellen, mit Gelb die, wo sie von Tierwolle, mit Lila die,
wo sie von Baumwolle, und mit Grün die, wo die Kleidtmg von andern Pflanzenzeugen
gefertigt ist. Die entsprechende Karte im neuen Berghaus, die wir G. Gerland ver
danken, konnte sich auf bessern Quellen auf bauen; sie veranschaulicht auf einer
flächentreuen Erdübersichtskarte die Bekleidung und eine zweite Karte desselben
Blattes Nahrung und menschliche Beschäftigungen.
Die Karten im alten Berghaus waren zu summarischer Natur. Mit der sich
mehr und mehr entwickelnden und vertiefenden Ethnologie mußten die Aufgaben
sich spezialisieren. Viel Kleinarbeit mußte noch geleistet werden, bevor man wieder
an wirklich instruktive Übersichtskarten herantreten konnte. Die tiefgründigen
Arbeiten setzten erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ein, und zwar, was
besonders beachtenswert ist, zumeist auf deutscher Seite. H. Schurtz gab 1893
eine Karte von der geographischen Verbreitung der Negertrachten heraus. 1 Bis ins
einzelnste auf kleinem Gebiete ging die Karte von Herrn. Meyer, die sich mit der
Verbreitung von Bogen und Pfeil in Zentralbrasilien befaßt. 1 2 Das Nachspüren der
Verbreitung einzelner Waffenarten hat zu einer Anzahl von Karten geführt, unter
denen die von G. Friederici 3 und von F. Graebner 4 genannt seien. Mit der Ver
breitung der afrikanischen Musikinstrumente beschäftigt sich eine Karte von
B. Ankermann. 5 Eine Karte der Verbreitung der künstlichen Zahnverstümmelungen
in Afrika hat uns jüngst H. Lignitz beschert 6 ; durch einfache und praktische
Signaturen unterscheiden sich die einzelnen Gebiete mit Lückenansplitterung, Aus
schlagen der untern Schneidezähne, der obern Schneidezähne und Zuspitzung der
Schneidezähne. Selbst die hochstehenden Kulturvölker bieten Stoff zu ethnographi
schen Kartierungen; nur liegt er nicht so greifbar auf der Straße wie bei den Primi
tiven. Rose Julien hat die kartographische Darstellung der Haupttrachtengruppen
im Deutschen Reiche nach dem Abzeichen weiblicher Kopftracht in ihrer ursprüng
lichen Begrenzung versucht. 7 In zwölf verschiedenen Farben wird die Verbreitung
von zwölf verschiedenen weiblichen Kopftrachten gezeigt.
Um die kartographische Darstellung der Kultur kreise bzw. Kulturformen hat sich
Leo Frobenius mancherlei Verdienste erworben. Schon seit einem Menschenalter,
von seinen ersten Karten an, die er von 1897 ab in Petermanns Geographischen Mit
teilungen veröffentlichte, bis zu dem großen Kartenwerk ,,Atlas africanus“, das 1921
in München erschien, hat er die Kulturkreise der Primitiven erforscht. Seine ersten
Karten galten dem westafrikanischen Kulturkreis. 8 Wir sehen da kartographische
Bilder über den afrikanischen Fellschild, den asiatischen Lederschild, den malajo-
1 H. Schurtz: Die geogr. Verbreitung der Negertrachten. Internat. Archiv f. Ethnogr. IV,
1891, S. 139-153. 1 K.
2 Herrn. Meyer: Bogen u. Pfeil in Zentralbrasilien. Leipzig s. a. (1894?).
3 G. Friederici: Versuch einer kartograph. Darstellung der Verbreitung von Steinschleuder
u. Blasrohr in Amerika. P. M. 1911, I, T. 13.
4 F. Graebner: Verbreitung der Speerschleuder in Australien. P. M. 1912. I, T. 22.
5 B. Anker mann: Die afrikan. Musikinstrumente. S.-A. aus Ethnolog. Notiz- Blatt, III,
1902. Heft 1.
6 H. Lignitz: Afrika. Verbreitung der künstlichen Zahnverstümmelungen. P. M. 1922, T. 2.
7 R. Julien i. P. M. 1920, T. 18.
* Leo Frobenius: Der westafrikan. Kulturkreis. P. M. 1897, T. 17. P. M. 1898, T. 14.