Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
* 
ferner von Sprachgrenze rede, ist damit stets der Sprachgrenzraum oder kurzweg 
Sprachraum zu verstehen; für mich sind also beide Bezeichnungen synonym. 
Was wir als Sprachraum ansehen, bezeichnen andere als Miscligebiet. Besondere 
Mischlings- und Durchdringungsgrenzen, wie Penck meint 1 , gibt es nicht; denn jeder 
Sprachraum ist eo ipso ein Mischlings- und Durchdringungsgebiet. F. Held stellt es 
als ,,eine wichtige ethnographische Erscheinung“ hin, daß es nur in seltensten 
Fällen eigentliche Übergangsgebiete gibt. 1 2 Ohne die Völker- und Sprachwissenschaft 
irgendwie zu beeinträchtigen, ist es nach ihm vollständig berechtigt, alle Orte mit 
mehr als 50°/ 0 einer Nationalität oder Sprache dieser unbedingt zuzuzählen. Diese 
Annahme hat nur für Karten kleinen Maßstabes eine Berechtigung, an Karten großem 
Maßstabes müssen höhere Forderungen gestellt werden. Bevor wir diesen nachgehen, 
sei noch betont, daß selbst auf Karten kleinern Maßstabes neben den Sprachgrenzen 
das gemischte Gebiet als ein eigenes hervorgehoben wird, wie wir bei A. Petermann 
sehen 3 , der für das Elsässer Sprachgebiet erst eine scharfe deutsche, dann eine scharfe 
französische Grenze zog; das dazwischenliegende Gebiet wurde besonders markiert. 
Zum Schluß ist das Ganze eigentlich nichts anderes als die kartographische Dar 
stellung eines fest Umrissenen Sprachraiuns. Es ist die gleiche Erscheinung, die wir 
auf der Karte der Sprachgrenze in Elsaß-Lothringen von H. Kiepert wahrnehmen, 
wo das Übergangsgebiet von Französisch (rot) zu Deutsch (grün) durch violette und 
blaue Töne dargestellt wird. 4 
Schwierig ist es, die richtige kartographische Sprache für den Grenzsaum zu 
finden. Wir sagten, daß die scharfe Grenze für Karten kleinern Maßstabes unvermeid 
lich ist, aber selbst auf großmaßstabigen kann man sie noch vorfinden, wenn auch 
modifiziert. Trotz der scharfen Grenzlinie werden gute Karten kleinern Maßstabes 
nicht versäumen, eine gewisse Charakteristik des Grenzsaumes, ob er breit oder 
schmal ist, zum Ausdruck zu bringen. Es hat sich nun die kartographische Methode 
ausgebildet, die Grenzsprache in Sprachinseln aufzulockern, zunächst in größere 
(und häufigere), sodann in kleinere, die sich allmählich im Sprachgebiet der andern 
Sprache verlieren. Diese Tropfengrenze, wie ich sie nennen will, hat sich ein 
großes Betätigungsfeld sowohl im In- wie im Ausland errungen. Auf Wand-, Studien-, 
Handatlas- und Schulatlaskarten wird sie gebraucht. Es ist sicherlich keine un 
geschickte Methode, um das Verklingen einer Sprache zum Ausdruck zu bringen. 
Neuere gute Karten nach dieser Art sind die Hand- und Wandkarte von Dietrich 
Schäfer über die Völker Europas 5 und die Wandkarte der Völker Europas von 
H. Hertzberg. 6 Das Loh, das Verfahren zuerst umfangreich und trotzdem detail 
liert angewandt zu haben, gebührt A. F. Rittich mit seiner Ethnographischen Karte 
von Rußland im Maßstabe 1 : 3700000 aus dem Jahre 1878. 7 
1 A. Penck, a. a. O., S. 171. 
2 F. Held: Zur Sprachenk. Deutsch Österreichs. P. M. 1887, S. 14. 
3 A. Petermann: Das General-Gouvernement Elsaß u. d. Deutsch-Franzos. Sprachgrenze. 
P. M. 1870, T. 22. 
4 H. Kiepert i. Z. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, IX. 1874, T. 4. 
5 1). Schäfer: Karte der Völker Europas. 1 : 4000000. Berlin 1916. 
6 H. Hertzberg: Die Völker Europas. 1 : 3000000. Gotha 1920. A. Penck hat in seinem 
Aufsatz, a. a. O., S. 171, Anm. 3, falsch zitiert und schreibt Haack-Hertzfeld anstatt Hertzberg. 
7 Die Umarbeitung zum eigentlichen Kartenbild hat A. Peter mann versorgt. Vgl. P. M., 
Ergh. 54, 1878, T. 1 u. 2.
	        
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