Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Sprachkarten. 
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Von vielen Seiten wird die Bänderungs- oder Streifengrenze geschätzt, 
worunter ich das streifenförmige Durchdringen der Farben für die einzelnen Sprachen 
im Grenzgebiete verstehe. Gewiß ist das eine Methode, mit der sich vieles verdeutlichen 
läßt, wie eben die Durchdringung der Sprachen, aber die allein seligmachende Methode 
ist sie auch nicht. Für Fernwirkung ist die Tropfengrenze sogar vorzuziehen. In 
der Bänderungsgrenze begegnet uns ebenfalls ein älteres Verfahren. So ist es auf der 
Karte über die Verbreitung der Deutschen in Europa von H. Nabert angewendet 
worden 1 , vor ihm von J. Nacken für die chinesischen Dialekte der Provinz Canton 1 2 , 
und in neuerer Zeit von H. Heyde und R. Pohle auf der Völkerkarte von Ost 
europa. 3 Auf der Nabertschen Karte wurde auch der Grundsatz zur Geltung gebracht, 
die Mehrheit einer Nationalität durch Farben, die auf möglichst kräftige Fern 
wirkung (Wandkarte!) berechnet wurde, auszudrücken. Das verkannte A. Kirch- 
hoff in seiner Besprechung der Karte 4 , w'eshalb er von A. Herrich zurecht 
gewiesen wurde. 5 
Da sich im Grenzsaum der Anteil der verschiedenen Sprachen prozentuarisch 
und stufenmäßig abwägen läßt, ist es auch möglich, für diese Veranschaulichung 
Kurven zu wählen, die aber nichts mit Isarithmen zu tun haben, wie Penck meint 6 , 
noch weniger mit den Kurven auf den Ravnsehen Karten. 7 Diese Methode ist aber 
nur für eine Sprache anwendbar. Für zwei Sprachen versagt sie bereits. Ein 
heilloser Wirrwarr von Linien würde entstehen. — Was sich für eine Volksdichte 
karte schickt, ist lange noch nicht für eine Völker- oder Sprachkarte geeignet. Es 
sei denn, daß man sich mit einer gewissen Skrupellosigkeit über Wissenschaft und 
Wahrheit hinwegsetzt, wie es auf außerdeutschen (polnischen) Karten geschehen ist. 
Die topographisch statistische Methode führt zu einer recht brauchbaren und 
damit recht guten Darstellung des Sprachsaums. Hier wären dieselben Vor- und 
Nachteile zu wiederholen, die oben bei der Methodik der Sprachkarten im allgemeinen 
angeführt sind. 
177. Die philologische Sprachkarte. Sprachgeographie. Um die Grenzen 
zwischen Dialekten und mehr oder minder verwandten Sprachen zu bestimmen, darf 
man sich nicht mit einer summarischen und nach philologischen Begriffen unwissen 
schaftlichen Umgrenzung der einzelnen Sprachkomplexe begnügen. Dazu bedarf es 
anderer Forschungsmethoden. Der Geograph muß mit dem Philologen Zusammen 
gehen. Beide treffen sich auf dem Gebiete der Sprachgeographie. Erst die 
neueste Zeit hat die junge Disziplin auf feste Füße gestellt, und über ihre Bedeutung 
unterrichtet eine Schrift von E. Tappolet. 8 Das geographisch-philologische Detail 
wird an romanischen Dialekten erhärtet. 
1 H. Nabert: Karte der Verbreitung der Deutschen in Europa. Im Aufträge des Deutsch. 
Schulvereins u. unter Mitwirkung von R. Böckh dargestellt. Glogau 1892. 
2 J. Nacken: Originalk. der Provinz Kwang Tung (Canton) zur Übersicht der deutschen 
Missions-Stationen. P. M. 1878, T. 22. Vier Dialekte werden unterschieden. 
3 H. Heyde und R. Pohle: Völkerk. von Ost-Europa. Berlin 1919. 
4 A. Kirchhoff i. P. M. 1892. L. B. 527. 
5 A. Herrich i. P. M. 1892, S. 163. 
6 A. Penck. a. a. 0., S. 174. 
7 A. Penck schreibt wieder falsch (S. 174), es muß Ravn heißen und nicht Rafn. 
8 E. Tappolet: Aus romanischen Sprachen u. Literaturen. Festschrift, Heinrich Morf 
zur Feier seiner 25jährigen Lehrtätigkeit von seinen Schülern dargebracht. Halle a. S. 1905, S. 385ff.
	        
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