Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Sprachkarten. 
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Verschiebung der Idiome bedingt wurde, deren Ergebnis ihr gegenwärtiges mehr 
oder minder deutlich erkennbares Abgrenzungssystem ist. 
Auf der andern Seite hinwiederum wird der Philolog die Art und den Eifer des 
Sammelns lokaler Merkmale, den eigentlich geographischen Sinn und die geographische 
Methode immer mehr sich zu eigen zu machen haben, um die Fülle der dadurch 
gewonnenen Aufschlüsse über den Zustand der von ihm zu erforschenden Idiome zu 
einer Erkenntnis ihres Entwicklungsganges immer mehr nutzbringend zu verwerten. 
Durch die gleichfalls auf dem Wege der sprachgeographischen Forschung erreichbare 
neue und durchaus wissenschaftliche, mehr oder minder scharfe Abgrenzung der 
kleinen und kleinsten Sprachgruppen gelangt er zu neuen Einsichten in das Sprach- 
leben. 
Der wissenschaftliche Betrieb der Sprachgeographie wird wesentlich durch 
monumentale Quellenwerke gefördert, die in einer Reihe von europäischen Ländern 
geschaffen wurden, und die auf einer großen Anzahl von Karten für bestimmte Worte 
und Wortgruppen von zahlreichen Plätzen die entsprechende mundartliche Form in 
phonetischer, auf das genaueste die lokale Aussprache reproduzierender Gestalt ver 
zeichnen. Rastloser Gelehrtenfleiß brachte und bringt in Deutschland, Frankreich, 
der Schweiz und Rumänien solche Schöpfungen zustande. Die Sprache, die wir reden, 
die Mundarten in erster Linie, wurden und werden aufgezeichnet, und der sprach 
wissenschaftlichen Forschung strömt ein neues wichtiges Material in reicher Fülle zu. 
Deutschland besitzt das erste gewaltige Sammelwerk in G. Wenkers Sprachatlas 
des Deutschen Reiches mit über 2000 Manuskriptblättern. 1 Es ist ein groß angelegtes 
Kartenwerk, das im Laufe der Jahre mit den neu bearbeiteten Blättern immer 
mehr gewonnen hat. 2 
178. Sprachkarten mit kulturellen Elementen. Die Abstimmungskarte. Spraeli- 
karten mit kulturellen Elementen auszustatten, ist dem Bedürfnis entsprungen, die 
Sprachkarte einmal nach ihrer kulturellen Seite wertvoller zu gestalten und andermal 
größern Kreisen schmackhafter zu machen. Sie allein erweist sich für weitere 
kulturelle Schlußfolgerungen als unzulänglich. Der Geograph, der Kulturhistoriker, 
der Volks Wirtschaftler, der Politiker wollen mehr aus ihr herauslesen als was sie von 
Natur aus bietet. Der Fachgelehrte weiß nur zu genau, wo das Ende ihrer Kraft ist; 
sie spiegelt lediglich die Verteilung der Sprache wieder, nicht einmal die der Völker. 
Aber dennoch liegt in der Sprache ein gewisses kulturelles Element, dessen Bedeutung 
schon durch wenige Beigaben im Kartenbild erhöht und schärfer hervorgehoben 
wird. Dies wußte kaum einer besser als P. Langhans, als er auf seinen Karten schon 
seit Jahren der kulturellen Bedeutung der deutschen Sprache und des Deutschtums 
nachging. Auf der Karte der Sprachverteilung im Generalgouvernement Belgien 
hebt er die Orte besonders hervor, wo deutsche und flämische Zeitungen erscheinen 3 ; 
1 Die zwei öffentlich zugänglichen Exemplare von G. Wenkers Sprachatlas des Deutschen 
Reichs befinden sich in der Kgl. Bibliothek, der heutigen Staatsbibliothek in Berlin, und in der Un.-Bi. 
Marburg. — Er fing an zu erscheinen in Straßburg 1881. 
2 Wenkers K. ist verschieden beurteilt worden. Der ursprüngl. Titel heißt: Sprach-Atlas 
von Nord- und Mitteldeutschl. Auf Grund von svstemat. Mithilfe der Volksschullehrer gesammelt. 
Material aus etwa 30000 Orten. Die Aufnahmen oder das Urmaterial durch die Lehrer soll wohl nicht 
ganz einwandfrei gewesen sein. An dem sich an das Werk anschließenden Streit beteiligten sich außer 
Wenker vor allem Bremer, F. Wrede und Schröder. 
3 P. Langhans i. P. M. 1014. II. T. 22.
	        
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