Zur Geschichte der Seekarte.
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hing die Ausgabe von Sonderkarten zusammen, die z. B. die Minenfelder 1 und Sperren
und späterhin die minenfreien Wege der Nord- und Ostsee zeigen. Gewissermaßen
als Ergänzung dazu wurde eine Wrackkarte gezeichnet, die die eingetretenen Schiffs
verluste der Kriegführenden und Neutralen zeigte. Auch die Ortungskarten wurden
zuerst im Kriege geschaffen. 1 2
Die deutschen Seekarten vor 1872 haben neben dem Fußmaß auch den Faden,
wie der Preußische Seeatlas ausreichend illustriert. Nach 1872 ist das Metermaß für
alle deutschen Karten herrschend geworden. Wer zu schauen weiß, wird viele Ver
änderungen auch in dem Innenbild der Karte wahrnehmen, selbst wenn wir den
Vergleich erst mit der Seekarte „der Mündungen der Jade, Weser und Elbe“ aus dem
Jahre 1878 beginnen, die auf A. Wecker zurückgeht, bei H. Petters in Hildburg
hausen in Kupfer gestochen ist und zum ersten Male den noch heute im allgemeinen
gültigen Stil zeigt. Bald waren die Leuchtfeuerzeichen zu dick gezeichnet, bald die
Tiefenzahlen zu dünn. Im großen ganzen kann bei der üblichen Weitsichtigkeit der
Seeleute eine gesunde Derbheit der Strichzeichnung nicht schaden. Der mannig
fachsten Darstellung ist auch das Kompaßbild unterworfen worden. Bald sehen
wir nur Gradeinteilung, bald nur Stricheinteilung. Zumeist sind beide Einteilungen
in ein Bild vereint. Die minutiöse Darstellung von verschiedenen Bruchteilen eines
Grades unterläßt man neuerdings, da man in der Praxis nicht viel damit anzufangen
weiß. Die Zeit dürfte, wie ich bereits auf S. 23 aufmerksam gemacht habe,
nicht fern sein, daß das Kompaßbild aus den Seekarten vollständig verschwindet.
Auch läßt es der Gebrauch der Kompaßdreiecke von Pellehn als überflüssig er
scheinen.
Die deutschen Seekarten waren vor dem Kriege samt und sonders in der Mercator-
projektion entworfen. Der Krieg zeitigte Karten auch in andern Projektionen.
Doch davon später mehr. Die Mercatorprojektion ist und bleibt das A und Q
der Seekartenprojektion. Die ältern deutschen Seekarten sind auf der Abweitung
des niedrigsten Parallels aufgebaut; seit 1904 ist die Abweitung des mittlern Par-
allels maßgebend, sofern nicht Sonderbestimmungen Platz greifen. Sämtlichen
Küstenkarten der einheimischen Gewässer liegt innerhalb der Maßstäbe 1 : 50000
und 1:150000 der Breitenparallel 53° 5' n. Br. zugrunde. Karten, die Gebiete am
Äquator und nördlich und südlich davon umfassen, gehen rechnungsmäßig von der
niedrigsten Breite aus, nicht etwa vom untersten bzw. vom obersten Breitenparallel
der Karte. 3 Das Jahr 1904 hat uns außerdem eine neue Tafel der Abkürzungen und
Zeichen auf unsern Seekarten beschert.
9. Die Herstellung der deutschen Seekarte. Deutsche und englische Seekarte.
Über die Herstellung der Seekarten will ich mich kurz fassen. Im großen und ganzen
ähnelt sie der unserer topographischen Karten, zeigt aber darin einen Unterschied,
daß sie infolge ihrer Eigenart auch maschinellen Vorrichtungen bei der Herstellung
ein Betätigungsfeld gestattet. So werden mit Maschinen genaue gerade Linien jeder
Stärke gestochen, die Bandteilungen schraffiert, die Kompaßrosen und ihre Be
1 In der Deutschen Bucht der Nordsee zählte man allein über 50000 Minen.
2 Über die Ortungskarte siehe weiter im Teil „Wirtschafts- und Verkehrekarte“.
3 Vgl. Formeln u. Tafeln zur Berechnung von Mercatornetzen f. d. deutschen Admiralitäts
karten. Hg. vom Reichs-Marineamt, Nautische Abteilg. Berlin 1904, S. 8, Anm.