Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
Missionskarte, wie wir bei Heilmann sehen, ist nichts seltenes. 1 Eine einfache gute 
Übersichtskarte der Religionen gibt C. Streit am Schlüsse seines Atlas Hierarchicus; 
auf zwei flächentreuen Hemisphären werden unterschieden Mohammedaner: Sunniten, 
Schiiten und Senussi; Christen: Katholiken, Protestanten, Orthodoxe; und Heiden: 
Brahmanen, Buddhisten, Confutsianer, Schintoisten und Fetischisten. 
Auf einer andern Karte veranschaulicht Gerland eine Menge religiöser Ge 
bräuche, die in die Physis des Menschen hineingreifen 1 2 , wie Beschneidung, Tätauierung, 
Zahnverstümmelung, Kannibalismus, und die endlich ,,durch ihren Einfluß auf die 
sittliche, religiöse und künstlerische Entwicklung von grundlegender Wichtigkeit 
sind“. 3 Die Körpermodifikationen, die auf religiöse Gebräuche zurückführen, sind 
am besten dargestellt ; weniger gelungen ist die kartographische Wiedergabe der Götter 
und Geister. Hier merkt man recht, daß die Karte an Überfüllung leidet, und manche 
Lücken in der Darstellung werden erklärlich, z. B. wo die Gebiete umzirkt werden, in 
denen die Feste der Mannesweihe, der Mannbarkeit gefeiert werden; es fehlt Ostafrika 
u. a. m. Die Gebiete der Anthropophagie und Menschenopfer sind mit farbigen 
Linien Umrissen, wie auch die, wo man heilige Getränke zu sich nimmt und der Genuß 
von Tabak und Schwitzbädern auf religiöse Gebräuche zurückführt. 
Eine gute Weltkarte der Religionen ist das Ergebnis mühsamer Kleinarbeit. 
Gerlands Karte basiert auf fleißige Sammlungen und kritischer Auswahl und Ver 
arbeitung vorhandenen Kartenmaterials. Über die Sekte der Senussi hatte ihm z. B. 
H. Duveyrier mit Karte und Abhandlung vorgearbeitet. 4 Altes und Neues muß 
herangezogen werden, um sich zu einem Kartenbilde zu verdichten. Von ältern 
Spezialkarten seien genannt die Religionsbekenntniskarten Westrußlands von Bâ 
ti usch ko w und Rittich. 5 Um dieselbe Zeit (1864) stellte sich auch ein Kärtchen 
der Religionen Österreichs ein. Da die Juden in westrussischen und österreichischen 
Gebieten ein ziemliches Kontingent der Bevölkerung bilden, mußte ihre Verbreitung 
auf den vorgenannten mit berücksichtigt werden. Das geschieht unentwegt bis auf 
die neuesten Spezialkarten, die ehemaliges westrussisches Gebiet behandeln, wie die 
Karte von H. Pr a es ent. 6 Topographische Aufnahmen in der Levante und in be- 
benachbarten Regionen tun gut, in den einzelnen Siedlungszeichen zugleich die Kult 
stätten nach Bekenntnissen zu unterscheiden, so nach christlichem, mohammedanischem 
und jüdischem Bekenntnis, wie es uns die Mapa topografica ,,Cirenaica“ in 1 : 50000 
zeigt. 7 
Frankreichs kirchliche Verhältnisse sind öfters Gegenstand der Darstellung 
gewesen. 8 Für ein Land wie Deutschland, dessen kulturelle Entwicklung zu einem 
Teil von der Widerpartschaft des katholischen und protestantischen Bekenntnisses 
getragen worden ist, sind Religionskarten des öftern entworfen worden, für das Ganze 
1 Wie auf d. K. The religions of the world. Edinburgh 1851. [Br. M. London.] 
2 G. Gerland, a. a. O., unterer Planiglob. 
3 G. Gerland, a. a. O., Vorbemerkungen, S. 4. 
4 H. Duveyrier i. Bull. Soc. Géogr. Paris 1884. 
5 Batiuschkow und v. Rittich: Atlas der Bevölkerung der westl. Provinzen Rußlands 
nach d. Religionsbekenntnissen. (Russisch.) 10 K. Moskau 1864. 
6 H. Praesent i. P. M. 1918, T. 5 u. 6. — P. M. 1919, T. 2. 
7 Cirenaica. Mapa topografica 1 : 50000. 20 Bl. Rom 1923. Istituto geografico militare. 
8 Carte ecclésiastique de l’Empire Français, compresant tous les Archevêchés, évêchés et cures 
du culte catholique. Présentée en Février 1808. A Sa M. l’Empereur par son Exc. le Ministre des 
Crûtes. Paris 1808. [Br. M. London.]
	        
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