Ethische Karten (geistige Kulturkreiskarten) und besondere Kulturkarten.
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gut ausgeführte Pestkarten in Petermanns Geographischen Mitteilungen veröffentlicht. 1
Das sind einige unter den vielen Karten, die sich bloß mit einer Krankheit be
schäftigen. Ihnen sei noch angereiht die Karte von der Verbreitung der Schlaf
krankheit und der Tsetsefliege im tropischen Afrika, die nach den Karten des Slee-
ping rickness bureau vom Oktober 1909 zusammengefaßt ist. 2 Diese und ähnliche
Karten werden später von großer historischer Wichtigkeit sein, wenn mit Hilfe der
großartigen deutschen Erfindung „Bayer 205“ gelungen ist, der Schlafkrankheit
vollständig Herr zu werden. Die Verbreitung der Malaria in Italien ist öfters Gegen
stand kartographischer Darstellung gewesen. Eine nach der amtlichen italienischen
Karte reduzierte haben wir von W. G. Fritzsche. 3 Sonderkarten dürfen auch nicht
zu klein gezeichnet werden, wie z. B. im Nebenkarton auf der genannten Gerland-
schen Krankheitskarte „die Verbreitung des Kropfes in Mitteleuropa“. Das Kärtchen
ist nach H. Bircher gezeichnet und enthält auch die Angabe der geologischen Grund
lage, an die die Krankheit gebunden scheint.
Am Anfang des neuen Jahrhunderts wurde die Aufmerksamkeit auf Karten
darstellungen gelenkt, die durch die Ausstellung „Die Volkskrankheiten und ihre
Bekämpfung“ von K. A. Lingner in Dresden veranlaßt waren. Die Karten der Volks
krankheiten hatte R. Rößle entworfen. Es waren Spezialkarten im wahrsten Sinne
des Wortes. Wir sahen da einen großen Plan von Hamburg mit der Wohndichtigkeit
und Choleraerkrankung im Jahre 1892 4 , einen Plan von Berlin mit den Sterblichkeits
fällen an Lungentuberkulose, eine Karte von Europa und eine von Deutschland mit
derselben Krankheit.
Die Verbreitung der Krankheiten kann neben dem kulturellen ein großes histori
sches Interesse haben, wie z. B. die Pestepidemien, die vom 14. bis 17. Jahrhundert
in Deutschland und Europa gewütet haben. C. Martin hat eine Übersichtskarte von
dem Verbreitungsgebiet des schwarzen Todes rekonstruiert. 5 Sie will ein Bild von der
Ausdehnung der fürchterlichen Verheerungen, die die Pest in vielen Ländern Europas
verursachte, geben. In Flächenkolorit erscheinen die Länder, wo der schwarze Tod
weniger als 1 / 2 und sodann mehr als 1 / 3 der Bewohner weggerafft hat. Die Ortschaften,
die heftig in Mitleidenschaft gezogen worden waren, werden besonders hervorgehoben.
Schließlich kann ein rein wirtschaftliches (Versicherungswesen) Interesse zur
Konstruktion von Krankheitskarten führen. Die versichernde Gesellschaft will da
durch schnell orientiert sein, wie die gesundheitlichen Verhältnisse in der Gegend
sind, die ein Weltreisender besucht. 6 Und nicht vergessen seien die „heilpädagogischen“
Karten, die W. Reuschert von Europa und von Deutschland gezeichnet hat. 7
1 H. Pöch: Erdk. der Ausbreitung der Pest am Ende des 19. u. im Anfang des 20. Jahrh.
P. M. 1911, I, T. 34. — Pestk. der Mandschurei. P. M. 1911, I, T. 35.
2 In P. M. 1910, II, T. 11.
3 W. G. Fritzsche i. P. M. 1895, T. 3.
4 In 13 gelbbraunen Stufen wurde die Wohndichte Hamburgs unterschieden und innerhalb
der Felder für die Häuserkomplexe die Sterblichkeitsziffer angegeben. Je dichter die einzelnen Grund
stückblöcke bewohnt sind, desto größer ist die (in roter Farbe angegebene) Zahl der Cholerainfektion
eines Gebäudekomplexes.
5 C. Martin i. P. M. 1879, T. 14.
6 J. Wyld: Climate risk map (Insurance map). London Assucable Assurance Society.
London (1889 ?). [Br. M. London.]
7 W. Reuschert: Heilpädagog. Karten. Metz 1881. [Br. M. London.] Die Ziffern 1. 2, 3
u. 4 unter den Ortsnamen zeigen an, ob an dem betreffenden Orte eine Taubstummen- oder Blinden
oder Blödsinnigen- (Idioten-) oder Epileptischenanstalt ist.