Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
Karte Europas nach serbischen Plänen aus dem Anfänge des Weltkrieges hat sich 
sogar später noch Eug. Oberhummer beschäftigt. 1 
Die politische Entwicklung eines Staates ist eng verwachsen mit seiner räum 
lichen Entwicklung. Die Kartenbilder, die dieser Genesis nachgehen, gehören eigentlich 
in das Tätigkeitsgebiet des historischen Geographen, wenn nicht gar des Historikers. 
Sobald es sich indes um Gegenwartsstaaten handelt, greift der Geograph, der mehr 
als der Historiker in der Gegenwart lebt, oft direkt in die Gestaltung dieser Karten 
bilder ein, wie es P. Langhans in bezug auf die räumliche Entwicklung des König 
reiches Montenegro 1 2 und den Rückgang des türkischen Herrschaftsgebietes in Europa 
getan hat. 3 Aug. Petermann deckte auf einer physischen Karte das Gebiet, das 
Preußen einnahm, mit roter Farbe, mit blauer die Gebiete der andern Staaten des 
Norddeutschen Bundes nach dem Stande im Sept. 1866. 4 Unsere bedeutendsten 
Verfasser politischer Geographien, wie Fr. Ratzel, R. Kjellen, W. Vogel, A. Dix, 
R. Reinhard, J. Wütschke, verschmähen für ihre Deduktionen nicht die politische 
Karte und Skizze, der Gegenwart sowohl wie der Vergangenheit. 
Gegebenenfalls greift die politische Karte über die politische Grenze hinüber 
und stellt Gebiete dar, die wir „Interessensphären“ nennen. Das große Gebiet von 
Kleinasien mit Syrien, Mesopotamien und Persien sind heute das Tummelgebiet solcher 
Interessensphärenkarten. die kartographische Darstellung kann noch weiter 
gehen und unter dem politischen Gesichtswinkel die Beziehungen eines Landes zum 
Auslande klarlegen, wie es P. Langhans in bezug auf Japan getan hat. 5 
Fast bis zur Gegenwart deckt sich der in Friedens- und Staatsverträgen der 
internationalen Übereinkommen rechtlich festgelegte (de jure) Besitz mit dem tat 
sächlich beherrschten (de facto) Gebiet. Heute ist es zumeist anders, wenigstens 
hei den Staaten, deren Machtbereich nicht mit der politischen Grenze des Mutter 
landes abgeschlossen ist. Wirtschaftlich und geistig werden andere Gebiete durch 
drungen, eine Art Schutzverhältnis wird errichtet, wobei aber sorglich vermieden 
wird, daß der Herrscherstaat als Machthaber der von ihm beherrschten Gebiete 
in die Öffentlichkeit tritt. Diese versteckten Beziehungen aufzudecken und klar 
zustellen ist Sache des politischen Geographen und das Ergebnis seiner Unter 
suchungen hat er kartographisch festzulegen. Manfred Langhans ist es zu 
danken, den rechtlichen und tatsächlichen Machtbereichen der Großmächte nach 
dem Weltkriege eine kartographische Versinnbildlichung gegeben zu haben, und das 
auf Grundlage der flächentreuen Mollweideschen Projektion. 6 Mehr wie Tausende 
von Worten demonstriert der Vergleich beider Karten ad oculos, wie unvollkommen 
der rein staats- und völkerrechtliche Begriff vom Staatsgebiet und wie er durchaus 
ungeeignet ist, die politisch-geographischen Tatsachen scharf zu erkennen. Die 
Karten von M. Langhans könnten eine ausgezeichnete und lehrreiche Ergänzung er 
halten, wenn die Kartenskizzen in Joh. Wütschkes „Politisch-geographischen Be 
trachtungen zu den weltpolitischen Machtfragen der Gegenwart und nahen Zu- 
1 E. Oberhummer i. P. M. 1920, S. 190. Dazu T. 34. 
2 P. Langhans i. P. M. 1910, II, T. 20. 
3 P. Langhans i. P. M. 1913, I, T. 1. 
4 A. Peterniann i. P. M. 1866, T. 15. 
6 P. Langhans: Die Beziehungen Japans zum Ausland. P. M. 1915, T. 27. 
6 M. Langhans: Rechtl. u. tatsächl. Machtbereiche der Großmächte nach dem Weltkriege. 
P. M. 1924, S. 1-7, T. 1.
	        
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