Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Politische, historische und historisch-kartographische Karten. 409 
kunft“ 1 , die weltpolitischen Kraftfeldern und den Verkehrs- und wirtschaftspolitischen 
Stoß- und Kraftlinien gelten, in größerm Maßstabe und buntfarbig dargestellt würden. 
Auch das Meer kann sich des politischen Einflusses und Kolorites nicht ent 
ziehen, obwohl es ein Unding ist, in einem Meere politische Grenzpfähle errichten 
zu wollen. In den Vereinigten Staaten sind Karten des Atlantischen und Pazifischen 
Ozeans erschienen 1 2 , die mit politischem Kolorit bedeckt, sind, um die Machtsphären 
der einzelnen an den Ozeanen partizipierenden Staaten zu veranschaulichen. Einen 
Vorläufer zu diesen Karten könnte man in der Karte von P. Langhans erblicken, 
die die Maßnahmen der Hand- Großstaaten des Großen Ozeans zu seiner Beherrschung 
zeigen 3 , die sich in den geplanten englischen und amerikanischen Kohlenstationen, 
den geplanten japanischen Fischereistationen, sowie in den englischen und amerikanischen 
Transpazifikkabeln äußern. Eine andere Art politischer Meerkarte ist die, die G. Wege 
mann entworfen hat und uns die Ostsee als ein germanisches Meer schätzen lehrt. 4 
Zu den politischen Karten im weitern Sinne gehören die philatelitischen 
Karten. Das ausführlichste in dieser Beziehung liegt bis jetzt vor in Lückes Atlas 
der Briefmarken-Geographie, bearbeitet von C. Opitz und P. Lederer. 5 204 Kärtchen 
veranschaulichen sämtliche Staaten, die jemals Marken verausgabt haben. 
185. Politische und administrative Grenze. Die politische Grenze ist das be 
vorzugte Objekt politisch geographischer Untersuchungen, eingeleitet durch Fr. Batzel, 
fortgeführt und ausführlicher behandelt von H. Helmolt und weiter geführt von 
modernen Forschern der historischen Geographie und Staatenkunde. Die politischen 
Karten geben den Grenzen eine Schärfe und Bestimmtheit, als ob sie für alle Ewigkeit 
festgelegt wären. Je nachdem Machtfragen auf friedlichem Wege oder durch Kriege 
entschieden werden, rücken die politischen Grenzpfähle hin und her. Wo Boden 
gestaltung oder Neutralität einen kleinen Staat schützt, täuschen sie einen jahrhundert 
alten Stillstand vor. Heute sprechen für die Grenzfestsetzung nicht bloß ethno 
graphische sondern auch kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse mit, weshalb die 
neuen Staatsgrenzen, die dem Deutschen Reiche nach dem Weltkriege aufgezwungen 
worden sind, bloß als eine vorübergehende Erscheinung aufgefaßt werden. Sie 
schlagen der politischen Entwicklung Deutschlands direkt ins Gesicht. Das kann 
sich ein Staat von der hohen kulturellen und weltwirtschaftlichen Bedeutung Deutsch 
lands auf die Dauer nicht gefallen lassen. An der Hand zahlreicher Kartenskizzen 
weist Fr. Jäger nach, daß die durch das Versailler Gewaltdiktat — euphemistisch 
spricht man vom Vertrag von Versailles — geschaffene Grenze zwischen Deutschland 
und Polen auf vielen Strecken kulturfeindlich wirkt, und daß der Grundsatz des 
Selbstbestimmungsrechtes der Völker bei der Grenzziehung gänzlich unberücksichtigt 
geblieben ist. 6 Die Irredenta, die man in wichtigen Grenzgebieten ertstehen ließ, wird 
1 Joh. Wütschke: Der Kampf um den Erdball. Politisch-geogr. Betrachtgn. usw. Mit 
28 Kartenskizzen. München u. Berlin 1922. 
2 Die K. sind einfach überschrieben ,,the Atlantik“, „the Pacific“; sie erschienen Washington 
1921. Geographical data from U. S. Hydrographie Charts. 
3 P. Langhans i. P. M. 1912, II, T. 15. 
4 G. Wegemann i. P. M. 1915, S. 89-91 u. T. 18. 
6 Lücke: Atlas der Briefmarken-Geographie. 3. Aufl. Leipzig 1920. 
6 Fr. Jäger: Die deutsch-polnische Grenze. Erörterungen üb. Probleme der Grenzziehung. 
Mit 10 Abb. Z. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin 1924. S. 257—280. — Vgl. auch A. Penck: Üb. politische 
Grenzen. Berliner Rektoratsrede 1917. 
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