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Dic organische Welt im Karteubild.
Wissenschaften, gepaart mit einem feinen (instinktiven) Sinn im Auffinden und Ver
knüpfen der Fäden, die das Kartenbild nicht bloß in den Rahmen seiner Zeit, sondern
auch in das Gewand der Geschichte der Geographie, Wissenschaft und Kultur hineinweben.
Bei der Erörterung der einzelnen Richtungen, die im Reiche der historischen
Kartenforschung bemerkenswert sind, nehme ich lediglich Beispiele der neuern Ent
wicklung zur Hand, d. h. Arbeiten, die erst nach 1900 datieren. Die schier unzähligen
Veröffentlichungen vor dieser Zeit 1 bringen keine neuen Gedanken für unsere
Gruppierung. Ihre Berücksichtigung würde bei -weitem das Maß überschreiten, das
ich meinen Ausführungen hier anzulegen gezwungen bin. Daneben gibt es Studien,
die einer Geschichte der Karten erst mittelbar zugute kommen, so die von Chr. Mehlis
über Sudeta und Gabreta 1 2 , oder von 0. Koelliker über den Kurs der Magellanschen
Flotte durch die indische Inselwelt auf der ersten Erdumsegelung 1519—1522. 3
Die Richtungen, die sich in den Veröffentlichungen, die der Geschichte der
Karte gelten, kund geben, sind reichlich verschiedener, sogar heterogener Natur,
nicht bloß in der Art und Weise methodischer Untersuchung sondern auch in der
Auffassung des Objekts. Es sei ferne von mir, nicht der Schwierigkeiten eingedenk
zu sein, die derartige Untersuchungen im Gefolge haben. Der einfachste und gang
barste Weg ist immer, die Untersuchungen an Karte und Autor anzuschließen. Die
Karte wird als ein eigenes Quellenwerk aufgefaßt und ganz mit dem Rüstzeug historischer
Quellenforschung und philologischer Kritik analysiert, wenn es sich nicht gar nur
um einfache Reproduktionen mit etwas orientierendem Text handelt. Das ist auch
alles. Mit der Reproduktion und den wenigen Brocken Bemerkungen glaubt man
vorderhand das Beste getan zu haben. Bedeutende Kartenwerke, wie sie von Mer
cator (durch die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin), von Waldseemüller (durch
J. Fischer und Fr. v. Wieser), von Wolfgang Lazius (durch E. Oberhummer und
Fr. v. Wieser), von Hondius (durch J. Fischer und E. G. Stevenson), von Albertin
de Virga (Fr. v. Wieser) und v. a. m. sind nach diesem Verfahren herausgegeben
worden. 4 Auch namenlose Karten reihen sich an, wie z. B. eine holländische Welt
karte aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 5 Reproduktionen von Karten,
wie die von Italien des Giacomo Gastaldi aus dem Jahre 1561 gewinnen erhöhte
Bedeutung, wenn man ihren Einfluß auf die übrige Kartographie ihrer Zeit nach-
weisen kann. 6 Gastaldis Karte ist zweifellos auch von Mercator nachgeahmt worden.
1 Man vgl. bloß in den summarischen, 10 Jahre umspannenden Inhaltsverzeichnissen von
Petermanns Geograph. Mitt. die Titelangaben unter der Hauptüberschrift „Geschichte der Geo
graphie“, die uns belehren, wieviel Werke zur Geschichte der Kartographie u. Verwandtem allein in
P. M. besprochen sind.
2 Chr. Mehlis: Sudeta u. Gabreta. P. M. 1919, S. 49—56, 89—93. Dazu T. 4 u. 5.
3 Die Untersuchungen stützen sich auf Antonio Pigafettas 23 Kartentafeln aus der Biblio
theca Ambrosiana in Mailand. In l / 2 der Originalgröße reproduziert in P. M. 1912, II, T. 55. — Wir
finden Pigafettas Karten wieder zugrunde gelegt auf einer Weltkarte, die zugleich die erste Karte
war, die bei Justus Perthes erschien als Beilage zu dem ersten geographischen Verlagswerk von 1801:
„Anton Pigafettas Beschreibung der von Magellan unternommenen ersten Reise um die Welt“ (über
setzt aus d. Franzos, von C. W. Jacobs u. F. Kries). Die K. ist reproduziert in P. M. 1910, II, T. 29.
4 Von 1925 ab erscheinen F. C. Wieders Monumenta cartographica. Reproductions of unique
and rare maps, plans and views in the actual size of the Originals, accommpanied by cartographical
monographs.
5 C. P. Burger: Een hollandsche wereld-kaart uit de eerste helft van de 16 e Eeuw. Haag 1912.
6 R. Biasutti: Contributi alia storia della Cartografia d’Italia. I. II „Disegno della geo-
grafia moderna“ dell’ Italia di Giacomo Gastaldi. 1561. Mein, geogr. II. Florenz 1908.