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Wirtschafts- und Verkehrskarte.
an keiner zu großen Übersichtlichkeit leidet und eingehenderes Studium erfordert.
Sie bedeutet jedoch einen Wendepunkt in der Entwicklung der angewandten Karten,
insofern sie den Beweis erbringt, daß sich die verschiedensten wirtschaftlichen Er
scheinungen auf einem Blatt darstellen lassen. Damit beginnt eine neue Ära der
Kartendarstellung.
Die Wirtschaftskarte von Crome eilte ihrer Zeit voraus. Noch brachte das
große Publikum zu wenig Verständnis wirtschaftlichen Dingen entgegen. Indessen
läßt sich ein gewisser Einfluß auf ihre Zeit nicht in Abrede stellen, wofür die ver
schiedenen Ausgaben, sodann die Bearbeitung von F. A. Schraembl sprechen, des
weitern auch die Anregungen, die sie für andere Karten gehabt hat, wie für die
Produktenkarte Bayerns von Flurl und Pallhausen. 1 Was beide in dem Vor
bericht zu ihrem schulgeographischen Werke 1787 schrieben, behält sogar für die
heutige Zeit noch seine Gültigkeit; unter anderm heißt es daselbst: „Die Merkwürdig
keiten und Produkte sind die Hauptsache der Erdbeschreibung. Denn was soll es
wohl dem Schüler nützen, wenn er bloß den Namen einer Stadt, und sonst nichts
davon zu sagen weiß? Er mag ein Gelehrter, ein Künstler, ein Handelsmann oder
ein Handwerker werden, so muß er wissen, was in diesem oder jenem Orte merk
würdig, was da für ein Produkt zu finden und zu benutzen ist, was für ein
Gewerbe getrieben wird oder sich noch besser betreiben ließe. Das ist der eigent
liche Nutzen, den man aus der erlernten Geographie ziehen soll.“ Die Karte wendet
bloß Signaturen an und bringt auch einige Andeutungen über Industrie und
Gewerbe. Wir finden, wie vereinzelt auch auf ältern Karten, Bergwerke und
Glashütten vermerkt; neu sind aber Töpferei, Brauerei, Papierfabrikation und
Weberei. Bei allem fällt auf, daß die Signaturen für die bayrischen Orte bezüg
lich ihres kirchlichen Charakters besonders spezialisiert sind. Indessen muß daran
gedacht werden, daß die Karte vornehmlich Schulzwecken im katholischen Bayern
dienen sollte.
Im allgemeinen kann gesagt werden, daß auf der Bahn, die Crome beschriften,
weiterzuwandeln keinem seiner Zeitgenossen und auch nicht der nachfolgenden Zeit
gelang. Die umfassendem wirtschaftlichen Darstellungen kamen mehr ins Vergessen,
höchstwahrscheinlich deshalb, weil man die Unsicherheit und die Schwierigkeiten
erkannte, die wirtschaftliche Gesamtausstattung eines Landes darzustellen. Ein
Crome redivivus begegnet uns 100 Jahre später in den österreichischen Karten, die
H. W. v. Blum und Frh. v. Kempen gezeichnet haben. 1 2 Kurz nach Crome fing
man an, das Kartenzeichnen von einem oder mehrerer gleichartiger Produkte zu
pflegen. Aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts sind eine Anzahl der
artiger kartographischer Erzeugnisse vorhanden. C. Ritter berief sich in einer Rede
in der Akademie der Wissenschaften auf v. Cansteins „Charte von der Verbreitung
der nutzbarsten Pflanzen über den Erdkörper.“ 3 Er selbst hat später Hand angelegt
1 Flurl u. Pallhausen: Geschichte u. Erdbeschreibung von Pfalzbaiern für Schüler. 1. Aufl.
München 1787. [H. u. St.-Bi. München.]
2 H. W. v. Blum, Frh. v. Kempen: Natur- u. Kunst-Producten-K. von Vorder-Oestreich;
sodann von Oestreich ob der Ens; und drittens von Oestreich unter der Ens. [Diese Karten befinden
sich gesammelt i. d. Bi. der Ges. f. Erdk. i. Berlin.]
3 C. Ritter: Der Tellurische Zusammenhang der Natur u. Geschichte in d. Produktionen
der drei Naturreiche, oder: Über eine geograph. Produktenkunde. Geles. i. d. Akad. d. Wiss. in Berlin
am 14. April 1836.