Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
(rebelip) sind Übersichtskarten und entsprechen unsern Segelkarten in den Maßstäben 
von 1:800000 bis 1:1300000 und darüber (s. Bild 3). Schlick unterscheidet drei 
Hauptabteilungen der Rebbelib, einmal die, die sich über die ganze Inselwolke der 
Marshallinseln erstrecken, sodann die, die nur über eine der beiden Ketten (Ralick- 
oder Batackinseln) Aufschluß gibt, und zuletzt die, die entweder den Südteil oder 
den Nordteil der Gesamtgruppe zeigen. 
Die Schiffahrt wurde trotz Stäbchenkarte nur bei günstigem Wetter unter 
nommen, wo der eigentliche Seegang gering und die Dünungen gut zu erkennen waren. 
Dann segelte man nicht bloß in einem Kanu, sondern in mehreren, um sich besser 
in Gefahren beizustehen und leichter das anzusegelnde Eiland zu finden. 
Man darf wohl annehmen, daß ähnliche, im Aufbau mehr oder minder verwandte 
Karten auch bei andern Inselgruppen Ozeaniens gebaut und gebraucht wurden, 
selbst wenn nur kümmerliche oder gar keine Mit 
teilungen darüber vorliegen, wie von den Karten 
der andern mikronesischen Gruppen, den Marianen 
und Karolinen. Auch von den Fidschiinseln hören 
wir noch von Karten, ob aber in Polynesien und 
Melanesien die Kunst der Stabkartenherstellung ge 
übt wurde, ist mehr als zweifelhaft. Sie scheint nur 
auf Mikronesien beschränkt zu sein und da ist sie, 
wie wir eben bemerkten, nicht überall einwandfrei 
festgestellt, was sich daher erklären läßt, daß eine 
derartige Kunst nur wenigen Häuptlingen geläufig 
und noch dazu mit Tabu belegt, mithin den Ferner- 
stehenden ganz unzugänglich war. 
Vorgänger der Stabkarten sind offenbar die 
Steinsetzungen auf verschiedenen Inseln; Steine oder 
andere Gegenstände wurden so in den Sand gelegt, 
wie man annahm, daß die einzelnen Inseln zueinander 
lägen. Auf alle Fälle sind die Stabkarten wichtige 
Kulturdokumente, mit denen sich viele Karten des 
Mittelalters (Radkarten), selbst verschiedene der Re 
naissance nicht messen können. Um so unverständ 
licher wird dann ein Ausspruch, der sich sogar in einer deutschen ethnographischen Zeit 
schrift findet: „Die sogenannten ,Seekarten 1 sind als Spielerei zu betrachten“ 1 , selbst 
wenn späterhin Marshallinsulaner, wie wir von Aug. Krämer wissen, Papier und Feder 
benutzten, um auf einfacherm Wege sich ihre Seekarte anzufertigen. Ob nun die 
Stabkarten vollständig geistiges Eigentum der Polynesier sind oder ob unsere Seekarten 
nachgeahmt sind, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Infolgedessen sind die 
Meinungen hierüber geteilt. 1 2 Wie dem auch sei, darf man diesen kartographischen 
Leistungen, die heute leider schon der Geschichte angehören, da der Südseeinsulaner 
jetzt die europäische Seekarte und den europäischen Kompaß zu handhaben versteht 
und deshalb seine alte Kunst der Stabkartenherstellung vergessen hat, nicht die 
Anerkennung versagen und muß dem Volke, das die Stabkarten anzufertigen und zu 
benutzen verstand, das Zeugnis scharfer Beobachtung und großer Intelligenz ausstellen. 
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Bild 3. 
1 Vgl. Z. d. Ges. f. Ethnologie. Berlin, XV, 1883. Supplmt. Berlin 1884, S. 15. 
2 A. Schück, a. a. O., S. 37.
	        
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