Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Zur Methodik der Wirtschaftskarte. 
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nicht ganz einwandfreien Zwecken abzulenken. So kann die Wirtschaftskarte ein 
gefährliches Mittel der Propaganda werden, wenn (wie bei manchen Kultivierungs- 
und Kolonisationsgesellschaften) Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung und Ent 
wicklung vorgespiegelt werden, die jeglichen reellen Hintergrundes entbehren. Auch 
bei bestem Willen kann des Guten zuweilen zuviel geschehen. Bei aller Wertschätzung 
Carl Peters kann ich mich z. B. mit seiner Wertschätzungskarte von Deutsch- 
Ostafrika nicht ganz einverstanden erklären. 1 Denn darauf wurde mit allzu kühnen 
Strichen Besiedlungsland, Plantagenland, Plantagen- und Besiedlungsland, Kulti- 
vationsgebiete der Eingeborenen, Steppen mit Viehzucht und unbewohnte Gebiete 
gezeichnet, wobei die bedenklichste Kategorie das Besiedlungsland ist. Die Peters- 
sche Karte ist eine Karte, die in Begeisterung für die deutsche Kolonie geschaffen 
worden ist. Nun gibt es leider auch Karten, die nicht von idealer Begeisterung ge 
tragen sind und die nur zu leicht in der Hand gewissenloser Spekulanten und 
unerfahrener Unternehmer gefährlich werden. 
Selbst wenn man die Wirtschaftskarte als „Plakatkarte“ verwendet, muß sie 
wahr sein; die Übertreibung eines bestimmten Objektes auf Kosten anderer muß 
man ihr zugute rechnen. Nicht ausgeschlossen ist die Wirtschaftskarte im „Film“ 
zu verwenden. Damit diese Versuche nicht einer „vorzeitigen Verkalkung“ ver 
fallen, ist es notwendig, zuerst systematisch inhaltlich sowohl wie formell, die Wirt 
schaftskarte auszubauen. Bis jetzt ist wohl in der Schule das Verständnis der 
Wirtschaftskarte angebahnt worden, dagegen steht die große Menge, selbst der wirt 
schaftliche Fachmann ihr noch verständnislos gegenüber. Um an die Öffentlichkeit 
zu gelangen, haben wirtschaftliche Kartenskizzen in Konsularberichten, in Zeitung 
und Flugblatt nur schmale Ausschlupfe gefunden, während ihnen breite Türen ge 
öffnet werden müßten. Um dies zu ermöglichen, muß vor allem der Wissenschaftler, 
d. h. der kartographisch gebildete Geograph mit dem wirtschaftlichen Fachmann 
Zusammenarbeiten. „Zeitgemäß wäre es. Hat sich doch die Wirtschaftsfrage so 
mächtig erwiesen, daß sie Waffenerfolgen zuwider den Krieg entschieden hat, daß 
man also annehmen darf, in der Zukunft verdiene die Wirtschaftskarte derselben 
zielsicher fortschreitenden Fürsorge, wie sie nur je den Karten für die Landes 
verteidigung mit Waffen zuteil wurde. Die rechte Wirtschaftsgeographie, die wir 
uns heute nur durch Selbsthilfe gefördert denken können, treibt auch Landes 
verteidigung, sie kann vor Niederlagen bewahren und Kriege vermeiden helfen.“ 1 2 
197. Die exzeptionelle Wirtschaftskarte. Es gibt eine Anzahl neuerer Wirt 
schaftskarten, die sich dem allgemeinen Schema einer Wirtschaftskarte nicht fügen. 
Wir fassen sie unter der Notbehelfsbezeichnung exzeptioneller oder außer 
gewöhnlicher Wirtschaftskarte zusammen. Teils gehen sie von wirtschafts 
historischen teils von wirtschafts-politischen und -soziologischen Erwägungen aus. 
Zumeist handelt es sich dabei um weltwirtschaftliche Probleme. Auch wird dabei 
der Weltverkehr nicht ausgeschieden. Eine Darstellung der Wirtschaftsstufen der 
ansässigen Völker würde zu diesen Karten überleiten. Die Wanderungen des inter 
nationalen Kapitals sind ein Zeichen der Weltwirtschaft. Vor ihrer Kartierung ist 
man bis jetzt zurückgeschreckt. Man spricht soviel von den internationalen Zu- 
1 C. Peters: Das Deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet. München u. Leipzig 1895. 
2 K. Peucker: Wirtschaftsleben u. Landkarte. In: Die Ware. Eine Z. f. Wirtschaft!. Bildung 
u. Qualitäts-Produktion, hg. von H. Winkler. I. Wien 1922, S. 14. 
Eckert, Kartenwissenschaft. II. 
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