Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Zur Methodik der Wirtschaftskarte. 
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takt zur Begründung einer „regionalen Wirtschaftsgeographie.“ 1 Ob sich nicht Obst 
in seinen Voraussetzungen und Folgerungen täuscht ? Auf alle Fälle läßt sich Rußland 
in Sibirien nicht ohne weiteres in ein europäisches und asiatisches Wirtschaftsreich 
teilen. Man vergesse nicht die wirtschaftsgeographischen Lebensgemein 
schaften, die sich manchmal recht spröde der regionalen Eingliederung gegenüber 
verhalten. Diese Erscheinung bezeichne ich geradezu als Symbiose. Der Macht 
faktor wird sich auch in Zukunft nicht ausscheiden lassen, und neu entdeckte wirt 
schaftliche Hilfsquellen geben wirtschaftlichen Betätigungen Möglichkeiten und Rich 
tungen, deren regionale Ausdehnung wir heute noch in keiner Weise abzuschätzen 
vermögen. Oft können ganz überraschende Verschiebungen vor sich gehen, wenn 
nicht gerade Erdteile, wie Nord- und Südamerika, schon von Natur aus mit allen 
Vorzügen selbständiger Wirtschaftsreiche begabt sind. Auch soll man sich nicht der 
Täuschung hingeben, als ob mit dem letzten Weltkriege die Grundlagen eines be 
ständigen Weltwirtschaftslebens geschaffen wären. Im Gegenteil, weltwirtschaftliche 
Ausgleichungen und wirtschaftliche Tüchtigkeit und Intelligenz drängen zu ganz 
anderm hin. Vielleicht werden sich weltwirtschaftliche Neugruppierungen in den 
Rahmen der von E. Banse gezeichneten Erdteile entwickeln. Außer der wirt 
schaftsgeographischen Politik (meinetwegen auch „Geopolitik“) werden in Zu 
kunft Staat (Machtbereiche) und Boden (Bodenschätze) noch immer ein gewichtiges 
Wort zu sprechen und wirtschaftliche Kraftfelder und Stoßlinien zu bestimmen 
haben. 
198. Die Arbeitsmethoden. Um zu wirtschaftsgeographischen Bildern zu ge 
langen, haben sich verschiedene Methoden entwickelt. Im Vordergrund steht die 
Frage: Wie gelange ich zum vollkommensten Bilde- der wirtschaftlichen Gesamt 
ausstattung der Erde? In der gestellten Frage liegt das Ideal, das die Wirtschafts 
karte anstrebt, das zu erreichen ihr aber nie gelingen wird, aus Gründen, die später 
noch zu erörtern sind. Sie wird ihm teilweise nahe kommen und außerdem noch 
in einer andern Art und Weise, wie es heute üblich ist. Man wird gewisse wirt 
schaftliche Einheiten aufstellen, für die Urproduktion sowohl wie für gewerb 
liche und industrielle Erscheinungen. Diese werden nach ihrem Umfang und ihrer 
Intensität bestimmt und alsdann dem Kartenbilde einverleibt. Um diese Einheiten 
zu begreifen imd sie .zu Alltagsbegriffen des Menschen zu machen, gehört noch eine 
viel intensivere Schulung und ein viel intensiveres wirtschaftliches Fühlen und 
Denken als wie es heute den meisten von uns eigen ist. Mit den Einheiten muß gleich 
eine ganze Reihe von Vorstellungskomplexen zusammengefaßt werden; sie sind in 
der Einheit als in einer Gesamtvorstellung verkörpert, ohne die ganze Reihe nochmals 
rekapitulieren zu müssen. Kurz gesagt heißt das nichts anderes als sich über die 
1 Wenn E. Obst daraufhin die Gründung eines „Forschungsinstituts für regionale Wirtschafts 
geographie“ als ein dringendes Gebot der Stunde ansieht und tatsächlich ein „Institut für regionale 
Wirtschaftsgeographie“ in Hannover begründet hat, bleibt ihm dies unbenommen. Nach dem Kriege 
ist einmal die Überorganisation zur Manie geworden. Aber wozu so eine Spezialität, die (besser in 
einem bestehenden Institut der Weltwirtschaft als in einem eigenen Hause geborgen ist, zumal wir 
heute noch nicht einmal ein gut ausgebautes Institut für Wirtschaftsgeographie besitzen. Wollen 
wir doch lieber erst für die Entwicklung einer ordentlichen wirtschaftsgeographischen Wissenschaft 
Sorge tragen. Das Volk muß viel besser als bisher im wirtschaftlichen Denken geschult sein; das 
ist Sache der Theorie und der Karte. Der Praxis wird damit am besten gedient, denn sie ist es schließlich, 
die Wirtschaft begründet, Wirtschaft betreibt und Wirtschaft verfallen läßt. 
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