Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
sein. Trotz tiefer Messerrasur muß das Papier so gut sein, noch handschriftliche 
Eintragungen zu gestatten. Infolgedessen muß das Seekartenpapier sowohl ein gutes 
Druck- wie Zeichenpapier sein. Für die deutschen Seekarten gibt es seit 1Ö06 ein 
derartiges Druckpapier, das, ein Leinenpapier mit starker Harz- und Stärkeleimung 
und nachträglicher animalischer Leimung, allen nautischen Anforderungen entspricht. 
Hat der Druck darauf auch nicht die übliche Schönheit und Tiefe des Kupferstichs, 
wird dieser Nachteil reichlich wett gemacht durch die Vorzüge, die hervorzuheben 
wir oben Veranlassung nahmen. 
Die Richtigkeit und Genauigkeit der Seekarte und die damit zusammenhängende 
Au-courant-Haltung sind die Grundvoraussetzung für die Herausgabe eines See 
kartenwerks. Kann ein Staat mit seinen Seekarten dieser Forderung nicht entsprechen, 
dann wäre es schon besser, er hätte erst gar nicht damit angefangen. Verstöße gegen 
die Richtigkeit der Seekarte sind von weittragendem Folgen für den Seeverkehr 
als solche der Landkarte für den Landverkehr und andere Gebrauchsgebiete. Ein 
Meßtischblatt eines entlegenem Gebietes kann schon einmal 20—30 Jahre nicht in 
Neuauflage erscheinen, bei einer Seekarte würde sich eine ähnliche Vernachlässigung 
bitter rächen. Und trotzdem hält man es kaum für möglich, daß die französischen 
Seekarten von Hawaii seit 1807 und die von Hainan seit 1877 noch keiner Neuauflage 
und Verbesserung unterzogen sind. Was sich selbst das englische Seekartenwerk 
an Ungenauigkeit für entferntere Gebiete leistet, habe ich an einem eklatanten Bei 
spiel im ersten Bande der Kartenwissenschaft nachgewiesen. 1 
In der Au-courant-Haltung können in der Tat die andern Seekartenwerke von 
den deutschen lernen. Auf den deutschen Seekarten werden große und kleine 
Berichtigungen unterschieden. Letztere beziehen sich nur auf Verbesserungen 
einzelner Namen, Tiefen usw., dagegen werden bei den erstem bedeutende Flächen 
stücke neu bearbeitet und gestochen. Bei manchen Karten ist es oft sehr schwer, 
ein endgültig sicheres Bild zu gewinnen, und die Herausgabe solcher Karten, wie 
z. B. der Abo-Schären, kann sich oft jahrelang verzögern. Im allgemeinen werden 
an einer großem Karte, wie der „Deutschen Bucht der Nordsee“, mit Originalzeichnung, 
Korrekturen und Nachtragungen zwei Jahre gebraucht. Hafenpläne und Karten 
mit geringem Inhalt werden bereits in sechs Monaten fertiggestellt. Während die 
Karten der Elbe- und Wesermündung nur einmal des Jahres berichtigt werden, wird 
die der Jademündungen einigemal verbessert, da die Jade nicht wie Elbe und Weser 
ein ausspülender Strom ist, der die Schlickpartikelchen zur Seite wirft. Große Bagger 
müssen fortwährend für eine brauchbare Fahrrinne nach Wilhelmshaven sorgen, und 
die Sandbänke vor der Mündung ändern fortwährend ihre Lage, so daß hier die ständige 
Kontrolle der Tiefenverhältnisse kaum wie woanders zu einer harten Notwendigkeit 
geworden ist. Verlangt nicht schon die Sommer- und Winterbetonnung die Heraus 
gabe besonderer Karten ? Infolge der genauen Berichtigungen und der ausgezeichneten 
Ausführung sind die deutschen Seekarten auch im Auslande geschätzt. 
Gestützt auf die vorangehenden Betrachtungen läßt sich das Wesen der See 
karte kurz dahin zusammenfassen: Die Seekarte oder nautische Karte ist 
die unter Berücksichtigung nautischer Angaben aus geführte Dar 
stellung der Küste und der dazu gehörigen Meeresteile. Sie muß drei 
Bedingungen vorzugsweise erfüllen: zunächst eine Distanzmessung, sodann eine Kurs- 
1 M. Eckert: Die Karten Wissenschaft I, S. 19, Anm. 1.
	        
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