Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Zur Methodik der Wirtschaftskarte. 
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Darstellung der Bonitätsklassen des Ackerlandes (1909) 1 , und zwar zum Zwecke der 
Gleichmäßigkeit der Einschätzung innerhalb einer Provinz. 
Die geographische Relation ist noch bedeutend ausbaufähig, insonderheit auf 
dem Gebiet der Industriekarte. Wir können beispielsweise fragen, feststellen und 
kartieren, wieviel Textilarbeiter in Sachsen auf 1 qkm entfallen u. a. m. Dann und 
wann machen wir bei der fiktiven Relation eine Anleihe, wenn wir z. B. fragen, wieviel 
Textilarbeiter auf 10000 Bewohner kommen. Und wird dies Ergebnis kartiert, eine 
gute Vermittlung von Vorstellungen wird trotz allem nicht gewonnen. Der text 
lichen Erklärung bleibt zuviel überlassen. Ein anderes Gesicht erhält das Verfahren, 
wenn wir die Relation zu einer Person vollziehen und ausrechnen, wieviel Liter 
Bier, Likör, wieviel Kilogramm Zucker, Getreide, Kakao, Tee, Kartoffeln usw. in 
Bayern, Württemberg, Sachsen oder in Deutschland, Rußland, Frankreich, Holland, 
England usf. auf den Kopf der Bevölkerung entfallen. All diese Beobachtungen 
und Berechnungen können im Kartenbild fixiert werden. Es werden dadurch weniger 
Karten als vielmehr Kartogramme hergestellt. 
Die intensivere Beschäftigung mit wirtschaftsgeographischen Problemen hat fast 
immer eine kartographische Auslösung zur Folge, wie wir dies neuerdings bei E. Scheu 
gesehen haben, der die einzelnen deutschen Länder und Provinzen untersucht, wie sie 
wirtschaftlich (in bezug auf Landbauerzeugnisse, Düngemittel, Viehzucht und Salz) 
miteinander in Fühlung und im Austausch stehen und wie dies natürlich zu erklären 
ist. 1 2 Die gegenseitige Abhängigkeit und der gegenseitige Ausgleich bedingt die wirt 
schaftsgeographische Harmonie eines Landes. Scheu hat nur kleine Schwarz- 
weiß-Kartenskizzen innerhalb seines Buches angewendet. Sie geben lediglich einen 
ungefähren, einen mehr oberflächlichen Einblick in die wirtschaftsgeographische 
Harmonie; etwas anderes dürfte der Verfasser auch kaum bezweckt haben. Ich jedoch 
betrachte sie als den Auftakt zu großem und besser durchzuführenden Karten, in denen 
sich zweifelsohne ein ganz hervorragender Anschauungswert offenbaren wird. 
Ein weiteres wichtiges Gebiet der kartographischen Darstellung wirtschaft 
licher Probleme ist von der Gel ehrten weit wie von der Praxis noch kaum beachtet 
worden, nämlich die Kurvenzeichnung. Die Bedeutung dieser Methode haben wir in 
den Paragraphen 82 und 83 ins rechte Licht zu setzen versucht. Hie sucht gleich 
artige Erscheinungen, die entweder besonders typische und markante Fälle anzeigen, 
oder die als Mittelwerte aus vielen ähnlichen Fällen gewonnen sind, durch einen 
Linienzug zu verbinden. Bei der Wirtschaftskarte werden wir wie bei der Be 
völkerungsdichte zu keinen echten Isarithmen geführt. Aber auch diese Pseudo- 
Isarithmen haben ihren großen Vorzug. Vor allem können sie ihren geographischen 
Charakter nicht verleugnen. Außer den Geographen müssen sie besonders den 
Wirtschaftspolitiker und Statistiker anregen. Über die eigenartige Verteilung von 
mehr oder minder gleichartigen wirtschaftlichen Erscheinungen wird die Kurven 
methode erst das rechte Licht verbreiten. Sicher würde die Statistik, wenn sie hier 
mehr auf geographischem Boden stünde, vor manchen Trugschlüssen bewahrt bleiben, 
zu denen das Operieren mit statistischen Zahlen nur zu leicht führen kann. Ein 
nachahmenswertes Beispiel für die Statistiker hat Engelbrecht mit seinen Iso timen 
oder den Linien gleicher Preise für die Hauptgetreidearten der Vereinigten Staaten, 
1 Th. H. Engelbrecht: Ausgewählte Schriften, a. a. O., S. 56—60. 
2 E. Scheu: Deutschlands wirtschaftsgeographische Harmonie. Breslau 1924.—Ahnl. Karto 
gramme bei W. Volz: Schlesien i. Rahmen der wirtschaftsgeogr. Lage Deutschlands. Breslau 1924. 
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