Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Geographische Belange. 
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entwerfer und -Zeichner ein Bild zurechte gestutzt hat, das einer eingehenden 
Korrektur von geographisch-wissenschaftlichem Standpunkt aus zu unterziehen ist. 
Unter dem Titel „Wirtschaftskarte“ glauben sie alles das geben zu müssen, was 
nur irgendwie wirtschaftlich von Interesse und Wert ist. Der Allgemeinbegriff 
„Wirtschaft“ hat sicher zu der obwaltenden Konfusion geführt. Ebensogut, wie 
man Isothermen, Isobaren, Isohyeten u. a. m„ alles wichtige Einzelerscheinungen 
der Meteorologie, oder pflanzen-, tier- und gesteinsgeographische Tatsachen, die 
wesentlich die dingliche Ausstattung unserer Erdoberfläche ausmachen, nicht in 
ein Kartenbild zusammenwirft, muß man sich hüten, die wirtschaftlich ausnutzbaren 
Produkte der Pflanzen-, Tier- und Mineralwelt zusammen oder gar noch mit Industrie 
erzeugnissen in einen Brei zusammenzukneten, der doch nicht verdaut wird. Nur 
bestimmte Zwecksetzungen können von dieser Kegel eine Ausnahme machen. 
Nehmen wir eine Karte zur Hand, die die wirtschaftliche Gesamtausstattung 
eines Landes bei kleinem Maßstabe veranschaulicht, oder eine der vielen modernen 
Industriekarten, fallen einem unwillkürlich die Worte Goethes aus dem Vorspiel 
zum Faust ein: „In bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen 
Wahrheit.“ In der Tat leiden die bunten Kartenbilder an Unklarheit, selbst wenn 
sie weniger irren, wird der Wahrheit kaum gedient, weil sie so mühsam herauszuschälen 
ist. Die Komplexvorstellungen eines Kartenbildes mit einem Male zu erfassen, 
dürfte nur wenigen begabten Menschen möglich sein. In der Voraussetzung des 
besten Willens suchen Auge und Geist in das Labyrinth der Zeichen und Deutungen 
einzudringen. Die Schwelle der Ermüdung wird bald erreicht, und der Erfolg ist 
dem auf das Studium verwandten Fleiß und der entsprechenden Zeit nicht kon 
gruent. Einmütig sollte man fürderhin derartige Karten, die der menschlichen Auf- 
fassungskraft zu wenig Rechnung tragen, ablehnen. Durch das bunte Kleid sollte 
man sich nicht blenden lassen, wie auch nicht durch Hersteller und Herausgeber. 
Gerade in der Kartographie zeigt es sich, daß nicht alles gut ist, selbst wenn ein 
renommierter Name dahintersteckt. Und wer, selbst als Gelehrter, ein bißchen 
zeichnen kann, ist noch längst kein Wirtschafts-Kartograph. Industriekarten in voller 
Ausstattung bei kleinem Maßstabe sind kümmerliche Behelfe; am besten ist es, sie 
zu meiden, es sei denn, daß man durch eine Reihe von Kärtchen einzelne In 
dustriezweige darstellt. Um einer physischen und psychischen Ermüdung des Karten 
benutzers vorzubeugen, muß die Karte darauf achten, einmal klar und übersichtlich 
zu sein, andermal ästhetisch zu befriedigen. 
Es wäre des Schweißes des Edelsten wert, wenn sich wissenschaftlicher Karto 
graph und experimentierender Psycholog zusammen- und durch Versuche dartun 
würden, was durch das innere Arrangement einer Wirtschaftskarte dem Auge sowohl 
wie dem Geiste zugemutet werden kann. Vielleicht findet sich dann ein brauchbarer 
Führer aus dem Labyrinth der heutigen Erzeugnisse, ein Führer von allgemeinem 
Ansehen, der das Morgenrot einer neuen Ära verkündet. 
III. Geographische Belange. 
205. Kulturlandschaft und terrestrische Lage. Intensität und Charakter der 
Wirtschaft ist zunächst von der Erdlage abhängig, die nicht bloß im horizontalen 
Sinne sondern auch im vertikalen von großer Wirkung ist. Der differenzierende 
Einfluß der Höhenlage auf das Wirtschaftsleben der Völker spricht sich wohl kaum
	        
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