Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
seiner Karte neben den Wirtschaftsformen des Jagens, Fischens und der Viehzucht 
den Hack-, Plantagen-, Acker- und Gartenbau als eigene Wirtschaftsformen auf, 
obwohl letztere, logisch betrachtet, nur die verschiedenen Stufen einer Wirtschafts 
form, nämlich des Ackerbaues, sind, der auf seiner primitiven Stufe Hackbau, auf 
der gehobenem Plantagenbau und extensiv betriebener Ackerbau und auf der 
ordnungsmäßigen Stufe intensiv betriebener Ackerbau, „hoher Ackerbau“ (Grosse) 
und Gartenbau ist. Die primitivem Stufen verweisen uns mehr nach Gebieten, die 
von kulturarmen Völkern bewohnt werden, die hohen Stufen nach Gebieten mit 
„Vollkultur“ (Vierkandt). 
Sehr richtig unterscheidet E. Friedrich auf seinen Wirtschaftskarten zwischen 
Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsformen und findet für jedes einen besondern 
kartographischen Ausdruck 1 , denen logischer weise auch gegenüber der Hahn sehen 
Mercatorkarte eine flächentreue Erdprojektion zugrunde liegt. Die Karte der Wirt 
schaftsstufen, die Friedrich nach dem Abstand des Menschen vom Naturzwang be 
stimmt hat, zeigt in verschiedenen roten Nuancen deutlich die Wirtschaftsstufe 
der tierischen Wirtschaft (Sammelwirtschaft), der instinktiven, traditionellen und 
wissenschaftlichen Wirtschaft, und hebt außerdem noch Menggebiete von Wirtschafts 
stufen hervor. Die Karte der Wirtschaftsformen veranschaulicht die Gebiete des 
Sammelns von Pflanzen, der Fischerei, der Jagd (desgl. Anthropophagie), des 
Pflanzenbaus, der Tierzucht, des Bergbaus, der Industrie (Transport, Kapital) und 
des Handels. Beiden Wirtschaftserscheinungen, den Wirtschaftsstufen und Wirt 
schaftsformen auf einem Blatt logisch gerecht, zu werden, hab ich auf einem 
Kärtchen versucht 1 2 , das in größerm Maßstabe in Buntdruck übertragen zu werden 
verdient. 
Was wir heute speziell als Wirtschaftsformen und -stufen unterscheiden, wurde 
früher allgemein unter dem Begriff der Kultur zusammengefaßt; und so war 
Fr. Ratzel der erste, der eine „Kulturkarte“ von Afrika zeichnete 3 und damit 
anregend auf die spezialisierende Folgezeit wirkte. Ratzel unterschied Ackerbauer, 
Ackerbauer mit Viehzucht, Ackerbauer unter der Herrschaft der Hirtenvölker und 
Jägervölker; die politischen und kommerziellen Stützpunkte der Araber hob er 
durch rote Farbe hervor. Durch ihn scheint der Ausdruck „Kulturkarte“ inauguriert 
zu sein, obwohl er nicht ganz richtig ist; denn die eigentlichen Kulturkarten sind 
die, wie wir sie bei den anthropogeographisch bedingten Karten kennen gelernt 
haben. Es wäre richtiger, im vorliegenden Falle, wo es sich um Wirtschaftsformen 
und -stufen handelt, von „Wirtschaftsgradkarten“ zu sprechen. Später hat 
Ratzel, wie wir noch sehen werden, die Bezeichnung Kulturkarte weiter gefaßt. 
Da den Kultur karten im ursprünglich Ratzeischen Sinne ein ethnographisches Moment 
eigen ist, werden sie am besten „ethnographische Kulturkarten“ genannt. 4 
1 E. Friedrich: Allgemeine u. spezielle Wirtschaftsgeographie. 2. Aufl., Leipzig 1907. 
Mit 3 K. Wirtschaftszonen, Wirtschaftsformen, Wirtschaftsstufen. 
2 M. Eckert: Leitfaden der Handelsgeographie (Wirtschafts- u. Verkehrsgeographie). 3. Aufl. 
Leipzig 1911, S. 28. 
3 Fr. Ratzel i. P. M. 1885, T. 12. — Die K. ist mit einigen Verbesserungen in Ratzels Völker 
kunde übergegangen. 
4 Selbst wenn wir eine K. entwerfen würden auf Grundlage der Abhandlung von A. Hettner 
über „den Gang der Kultur üb. d. Erde“, Leipzig u. Berlin 1923, würde diese K. großenteils ethno 
graphischen Anstrich haben, obwohl dabei die intellektuelle Seite der Kultur eine ausschlaggebende 
Rolle spielen würde.
	        
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