Einzelne wichtigere Arten der Wirtschaftskal te.
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Die Mitte des vergangenen Jahrhunderts bescherte uns eine Beihe wirtschaft
licher Karten, die ich der Vergessenheit entreißen möchte. Sie können für spätere
Arbeiten als wertvolles Vergleichsmaterial gelten. In Deutschland sind sie in der
Hauptsache an die Namen Ed. Stolle, und W. Hermann geknüpft. Sie haben
für ihre Zeit mit ihren Karten viel Gutes erstrebt, ob auch bewirkt, vermag ich
nicht zu entscheiden. Erstaunlich bleibt es nur, wie jene Zeit doch für wirtschafts
geographische Darstellungen eine gewisse Beife haben mußte, sonst wären sie wohl
kaum gezeichnet worden. Die guten Anfänge hatten nicht die notwendige Entwicklung
gefunden und erst das neue Jahrhundert mußte nachholen, was während vieler
Dezennien versäumt worden war. Von Stolle rühren mehrere wirtschaftsgeographische
Karten her, darunter eine über die Verteilung der europäischen Bübenzucker-
industrie. 1 In der stärkern oder geringem Anhäufung des bekannten Zuckerhut
zeichens zeigt sie die Verbreitung der Bunkelrübenzuckerfabriken und in Blau den
Verlauf der Zollvereinsgrenze. Bekannter wurde seine Übersichtskarte des Wein-
und Tabakbaues der ganzen Erde (S. 571). Die Kombination von Wein und Tabak
auf einer Karte ist keine seltene Erscheinung, da in der Verbreitung beider klima-
tologische Zusammenhänge nachweisbar sind. Indessen ist die Darstellung der
Weinländer für sich eine häufigere. Frankreich, das Weinland katexochen, ist auch
das Land der Weinlandkarten 1 2 , die zuweilen mit größter Penibilität und in Hand
kolorit hergestellt sind. 3 In die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts verweist uns
gleichfalls ein deutscher Atlas der Weinländer in Europa von C. L. Hellrung,
wobei auf die einzelnen Karten vom Moselweinland, vom Burgunderweinland, vom
Ungarnweinland usw. fünf Stufen der Weingüte unterschieden werden, kenntlich
gemacht durch farbige Unterstreichung der Weinorte. 4
Doch zurück zu W. Hermann. 1856 veröffentlichte er eine Karte über die
Verbreitung der Hauptnahrungspflanzen 5 mit Andeutung der wichtigsten Holzarten.
Von den zwölf verschiedenen Strichzeichen stellt er einzelne, auch mehrere Nahrungs
pflanzen mit einem Male dar, so Gebiete mit Gerste und Boggen oder mit Gerste,
Boggen und Hafer oder mit Boggen und Weizen usf. Außerdem erscheinen in Blau
die Isotheren des Dezembers, Januars und Februars und in Bot die des Juni, Juli
1 Ed. Stolle: Übersichtsk. der geogr. Verteilung der europ. Rübenzucker-Industrie. Berlin
1850. [Co.-Bi. Hamburg.]
2 Hinzuzufügen wäre Carte viticole et vinicole de La Champagne par Bonnedame et 3 Fils.
1882. [Bi. des Geogr. Labor, der Sorbonne.]
3 z. B. Essai d’une carte agricole de la France, des Pays-Bas et de quelques contrées Voisines.
Par M. le Baron Coquebert de Montbret, s. a. (aus der ersten Hälfte des 19. Jahrh. ?). — In gelbem
Flächenkolorit: Pays sans vignes; in rotem: Vignes; in grünem: Oliviers; in gelbrotem: Orangers.
[Bi. der Soc. Geogr. i. Paris.]
4 C. L. Hellrung: Atlas der Weinländer in Europa, enthaltend i. einer Auswahl von Spezial
karten alle berühmten Weinberge mit ihren Gewächsen, geograph., statistisch, ökonomisch u. mer-
kantilisch dargestellt. 3 Hefte. Magdeburg 1838/1839. — Außer den obengenannten Weinländern
sind u. a. noch behandelt die Champagne, Rousillon, Languedoc, Schlesien (hier bloß 1., 2. u. 3. Rang
unterschieden). Am interessantesten ist die Moselweinlandk.; die Weinorte 1. Ranges sind rot unter
strichen (z. B. Piesport, Brauneberg, Zeltingen), die 2. Ranges blau (z. B. Trier, Grünhausen, Graach),
die 3. Ranges grün (z. B. Berncastel, Cues, Lieser, Wintrich), die 4. Ranges gelb (z. B. Trarbach,
Ob.-Emmel), u. die 5. Ranges braun (z. B. Saarburg, Waltrach). Nach unserm heutigen Geschmack
dürften diese Rangstufen nicht mehr ganz stimmen. [Co.-Bi. Hamburg.]
5 W. Hermann: Die Verbreitung der Haupt-Nahrungspflanzen. Mit Andeutung der wichtigsten
Holzarten u. anderes. Berlin 1856. [Br. M. London.]