Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Einzelne wichtigere Arten der Wirtschaftskarte. 
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von Bimssteinen, wie im Neuwieder Becken und in der Pellenz, vorfinden. Die 
großartigsten Belege für das geographische Gebundensein liefern die Zentren der 
Schwerindustrie. Über den Zusammenhang zwischen Industrie und Geographie 
unterrichtet auch unser Hauptabschnitt „Geographische Belange“. 
Betrachten wir die Industriekarten älterer und neuerer Zeit, fällt uns dort 
die bis ins einzelnste ziselierte Signatur auf, hier dagegen das bunte Farbenspiel. 
Moderne Industriekarten sind vielfach der Tummelplatz sinnverwirrender Farben 
orgien und jeder Ästhetik und Logik bar. Geradezu unerhört ist, was da manchmal 
dem Publikum geboten wird. Schon bei einem oberflächlichen Betrachten läuft einem 
die Gänsehaut über. Indessen dürfte es als ungerecht empfunden werden, wenn 
wir nicht die Ursache des Übels ergründen würden. Ähnlich wie die Fundstellen 
der nutzbaren Mineralien ist die Industrie über ein Land zerstreut. Will man diese 
sporadischen Erscheinungen im Kartenbilde bei den üblichen Maßstäben festhalten, 
läuft die ganze Sache von allein auf eine punktweise Darstellung hinaus, wobei die 
Farbe die nötige Differenzierung zuwege bringt. Es gehört schon sehr viel Geschick 
und großer kartographischer Takt dazu, ein Kartenbild nicht überladen und un 
übersichtlich erscheinen zu lassen. Leider regiert das Gegenteil noch immer die 
Stunde, wenn es auch ein wenig besser geworden ist, seitdem ich das ganze Dar 
stellungsverfahren auf Wirtschaftskarten als „Flytirdmanier“ oder zu gut deutsch 
als „Fliegendreckmanier“ geißelte 1 . Wand- wie Hand- und Atlaskarte haben in 
gleicher Weise gesündigt. 1 2 A. Hettner spricht von dem Unfug der Wirtschafts 
karten. 3 Henry Lange half sich dadurch, daß er in dicken farbigen Strichen den 
Ortsnamen unterstrich oder halb umrahmte. 4 
Um Wandel zu schaffen, kann eben nichts anderes helfen wie immer wieder 
vom Einzelnen auszugehen. Ist dies gelungen, dann erst soll vorsichtig zum Zu 
sammengesetzten weiter getastet werden. Es muß eben auch mit dem psychischen 
Mechanismus (§ 210) gerechnet werden. Und wird es dennoch notwendig, ver 
schiedene Industriezweige auf einem Kartenbilde zu vereinen, muß man sich von 
1 M. Eckert im (roten) Tag 1908, 29. Jan. 
2 Zahlreiche abschreckende Beispiele geben unter den namhaftem Publikationen A. Scobels 
Handels-Atlas zur Verkehrs- u. Wirtschaftsgeographie, Bielefeld u. Leipzig 1902 (bes. S. 26), Hick- 
mannsche Karten u. a. m. — Wenn man diese modernen Schreckgebilde anschaut, ist man versucht, 
den altern Karten, wie der K. von Crome oder der Hütten- u. Grubenk. des Regierungsbezirks Arns 
berg von Jacobi usw. trotz der bis ins kleinste ausgetüftelten Signaturen (die sich bis auf Dampf 
mühlen, verschiedene Fabriken, Bierbrauereien usw. erstrecken) weit höher einzuschätzen. — Daß 
man sich in schulgeographischen Kreisen der Unanschaulichkeit moderner Wirtschaftskarten wohl 
bewußt ist, bezeugt das Preisausschreiben für wirtschaftsgeographische Schulkarten bei Gelegen 
heit der Schulausstellung zu Pfingsten 1912 in Berlin. Die Gesellschaft der Freunde des vaterlän 
dischen Schul- und Erziehungswesens zu Hamburg stiftete einen Preis von 100 Mark für die beste der 
Schulausstellung des Deutschen Lehrervereins einzusendende Reihe von Karten, die die wirtschafts 
geographischen Verhältnisse Deutschlands (Industrie und landwirtschaftliche Verhältnisse, Handel 
und Verkehr) und deren Grundlagen bzw. Bedingungen (Bodenschätze, Temperaturverhältnisse usw.) 
darstellen. — Man vgl. auch A. Oppel: Über Wirtschaftsgeograph. Schulwandkarten. Verh. des 
XVII. Deutsch. Geographentags zu Lübeck 1909. Berlin 1910. 
3 A. Hettner: Die Eigenschaften u. Methoden der kartograph. Darstellung. G. Z. 1910, S. 76. 
4 Auf obige Weise erhielt H. Lange ein leidlich gut orientierendes Bild der sächsischen Baum 
wollspinnerei und -Weberei, Streichgarnspinnerei und -Weberei, Kammgarnspinnerei und -weberei, 
der Leinen- und Seidenweberei. Selbst die Verbreitung der Strumpfwirker, Spitzenklöppeler und 
Weber wurde besonders noch hervorgehoben, wie auch die Papierfabriken; s. H. Lange: Industrie 
karte v. Sachsen i. seinem Atlas von Sachsen. Leipzig 1860, T. 11. 
Eckert, Kartomvisscnschaft. II. 
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