Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Wirtschafte- und Verkehrskarte. 
„Oberbegriffen“ oder „hohem Gattungsbegriffen“ leiten lassen. Naturwidrig ist es 
die Zweige der Nahrungsmittelindustrie mit denen der Bekleidungsindustrie oder 
der Schwerindustrie zusammenzuschweißen. Man darf sich nicht durch die Be 
zeichnung „Industrieerzeugnis“ beirren lassen und alles in einen Topf werfen, was 
von Natur aus heterogen ist, was schließlich auch in seiner wirtschaftlichen Aus 
wirkung auf ganz verschiedene Tätigkeitsbereiche hinzielt. 
Die Webindustrie ist stets ein bevorzugtes Darstellungsobjekt gewesen. Mag 
sein, daß sie eine der Mitschöpferin der „Industrie“ ist, da sich ja kaum in einer 
andern Branche die Fabrikindustrie so auffällig aus dem Hausgewerbe wie bei ihr 
entwickelt hat. Schon auf ältern Karten hat man die einzelnen Zweige der Textil 
industrie mit großer Liebe im Kartenbilde dargestellt (H. Lange, E. Serth 1 ), 
während man die Zweige anderer Industrien mehr dilatorisch behandelte und sich 
nicht selten mit den Anfangsbuchstaben begnügte. Eine so allgemeine Darstellung, 
wie sie zum ersten Male Aug. Petermann versucht hatte, indem er auf einer Karte 
der Erzeugnisse des deutschen Gewerbefleißes weiter nichts als die geographische 
Verbreitung von Fabrikationsstätten gab 1 2 — welches Verfahren er einige Jahre 
später für Großbritannien wiederholt hat 3 —, wäre auch heute zu wiederholen, um 
die verschiedene Dichte der Industrie in einem Lande zu zeigen; denn eine Dichte 
karte der Industriebevölkerung erlaubt noch keinen sichern Schluß auf die Dichte 
der Industriezweige. Es gibt viele Industrien, denen eine gewisse natürliche Zu 
sammengehörigkeit eigen ist. Die vielen elektrischen Industrien erlauben eine ver 
einheitlichende Darstellung. Wenn Papier-, Pappen- und Papierstoffabriken auf 
einem Bilde vereint sind 4 , wird das jedermann vernünftig finden. 
Aus älterer Zeit liegen schöne Zeugnisse vor, die sich mit der Wiedergabe 
einzelner Industrien befassen. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist die 
Kartierung einzelner wichtiger Industriezweige versucht worden, ohne jedoch nach 
haltigen Einfluß auf weitere kartographische Erzeugnisse gewonnen zu haben. Auf 
den beiden Karten der Tonwarenindustrie der österreichischen Monarchie vom 
Jahre 1857 5 sind die Orte, an denen Ton- und Glaswaren gefertigt werden, durch 
Kolorit hervorgehoben, wobei durch besondere Zeichen die Gattung der Waren an 
gedeutet wird. Die Karten geben eine rasche und bequeme Übersicht der örtlichen 
Verteilung der betreffenden Industriezweige. — Ferner darf man nicht verkennen, 
daß sich nicht alle Industriezweige gleichgut für eine kartographische Darstellung 
1 E. Serth: Karten zur Handelsgeogr. Stuttgart 1872. Bl. II: K. v. Europa. Bl. III: K. v. 
Deutschland. [Co.-Bi. Hamburg. Bl. III auch i. Br. M. London.] 
2 Die Erzeugnisse des Deutschen Gewerbefleisses in ihrer National-Ausstellung zu Berlin 1844. 
Nach geogr. Verbreitung der beteiligten Fabrikationsstätten zusammengestellt in der Geographischen 
Kunstschule zu Potsdam von Aug. Petermann. — Eine der ältesten Karten von Petermann! [Br. 
M. London.] 
3 Geographical view of the Great Exhibition of 1851, shewing at one view the relative and 
territorial distribution of the various localities from whence the raw materials and manufactures con- 
tributed to the exhibition have been severally supplied. Compiled and drawn by A. Petermann. 
London 1851. [Br. M. London.] 
4 K. der Papier-, Pappen- u. Papierstoff-Fabriken Deutschlands nach Grund 
karten aus „Debes Neuem Handatlas“, Einträge der Fabriken nach Günther-Staibs Adreßbuch, 
1896/97 Aufl. von Ernst Kirchner. Biberach a. d. Riß 1897. [K. Bi. Berlin.] 
5 Aus: Industrie-Statistik der Österreich. Monarchie f. d. J. 1856, hg. v. d. k. k. Direktion 
der Administrativen Statistik. 1. Heft, Steinwaren. Tonwaren, Glaswaren. Mit 2 Industriek. In 
d. Mitt. aus d. Gebiete der Statistik, VI, 2. Heft.
	        
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