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Wirtschafts- und Verkehrskarte.
gibt ein glänzendes Beispiel für vorstehende Erwägungen, die vor allem auch die
Grundlage für W. Dau bildeten, der die Bevölkerungsteile Deutschlands in Berg
bau-, Hütten-, Salinenwesen und Torfgräberei, ferner in der chemischen Industrie
untersuchte und seinen Ergebnissen einen anschaulichen Ausdruck in Karten der
Berufsdichte verliehen hatte. 1 Indem die Anzahl der Personen des Berg- und
Hüttenbaus sowohl wie die der chemischen Industrie auf je 100 qkm festgestellt
werden, gelangt Dau zu neun bzw. sieben wichtigen Dichtegruppen. Ihrem Wesen
nach sind die Karten sowohl bevölkerungsgeographische wie wirtschaftsgeographische.
Zu rein wirtschaftsgeographischen würden sie geworden sein, wenn sie mit Hilfe
der Zahlen der Gewerbestatistik eine erschöpfende Darstellung des Bergbaus und
der chemischen Industrie wie der Gesamtheit der montanistischen und chemischen
Betriebe durch die in diesen tätige Bevölkerung hätten geben können. Schade, daß
seinerzeit diese Karten, die unter meiner Ägide entstanden, in Rücksicht auf die
Herstellurfgskosten nicht fortgeführt und publiziert werden konnten. Sie wären
zweifellos ein wichtiges kultur- und wirtschaftsgeographisches Anschauungs- und
Vergleichsmaterial geworden. Vorzugsweise ist ihnen das eigen, was H. Losch die
sachliche und die geographische Ausgliederung der statistischen Tabellen genannt
hat. 1 2 Zu diesem Ausspruch bzw. Ergebnis kam er bei der eingehenden Analyse
derjenigen Bände der Statistik des Deutschen Reiches, Neue Folge (111, 112
und 119), die die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung vom 14. Juni 1895
verwerten.
Um den Unterschied zwischen statistischer und geographischer Methode im
vorliegenden Falle zu erfassen, braucht man nur die vierzehn Karten in 1:3000000
des Bandes 119, die dem ,,Gewerbe und Handel im Deutschen Reiche“ gewidmet
sind, mit den Karten von Dau, die in dem wenig kleinern Maßstab 1 : 8700000
entworfen sind, vergleichen. Zugleich wird man darüber belehrt werden, was jeder
der beiden Methoden zu leisten vermag. In sieben Stufen wird auf jeder der ersten
dreizehn Karten gemäß administrativer Einteilung festgestellt, wie viele während
des Jahres 1895 tätige Personen auf je 10000 Einwohner entfallen. Auf der vier
zehnten Karte werden die gewerbetätigen Personen der industriellen Großbetriebe
(mit mehr als 100 Personen) nach dem Prozent Verhältnis gleichfalls in sieben Stufen
dargestellt. Die Karten sind sauber durch- und ausgeführt. Bei Lichte besehen
sind es nur Kartogramme, die aber recht wohl die langsame und meist langweilige
Tabellenlektüre zu ersetzen geeignet sind. Mit der Verkürzung des Auffassungs
prozesses ist ihre Bestimmung erfüllt, bei der weitern und intimem Einzelvergleichung
geht ihnen der Atem aus. „Schließlich werden wir trotz der weisen und reichen
Abwechslung in den Farben etwas abgestumpft; die Vergleichung hält nur von Bild
zu Bild vor, die Bilder immer wieder derselben Umrisse fließen ineinander über,
und wir verlieren die Einheit. Disjecta membra füllen unser Hirn, das einigende
Band ist verloren, das Wirkliche ist zerstückt, in seine Bestandteile aufgelöst; diese
sind in Fesseln geschlagen, unbeweglich starren sie uns an und harren desjenigen,
der sie wieder zum organischen Leben zurück einreiht und so entzaubert.“ 3
1 W. Dau i. P. M. 1906, T. 14. Berufsdichte in der chemischen Industrie. Die K. der Dichte
der Berufsgruppe: Bergbau, Hütten- u. Salinen wesen, Torfgräberei i. Daus Diss. in Kiel 1906: Eine
Untersuchung zur Berufsdichte im Deutschen Reich.
2 H. Losch, a. a. O., S. 430.
3 H. Losch, a. a. O., S. 429.