Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
tinger als Pergamentrolle hinterlassen. Pentinger plante eine Herausgabe des Werkes, 
ist jedoch nicht dazu gekommen. Er trägt den Ruhm davon, daß es nach ihm benannt 
wurde. Heute bildet die Tabula Peutingeriana einen der wertvollsten Schätze der 
Hofbibliothek zu Wien, wo sie in elf Pergamentblättern verwahrt wird, das zwölfte, 
das Anfangsblatt, fehlt. Die Länge der Rolle beträgt 6,82 m bei einer Höhe von 84 cm. 
Uns interessiert vor allem der kartographische Aufbau. Auf irgendeine Pro 
jektion ist von allem Anfang an verzichtet. Der Zeichner beobachtete weder die Erd 
gestalt noch die Ländergestalt noch die geographische Lage, sondern notierte allein 
die Distanzen auf einem von Westen nach Osten gehenden Streifen, — wozu praktische 
Überlegungen geführt haben mögen. Er bewegte sich gleichsam in einer Richtung 
fort und verzeichnete die Gegenstände, die in einer bestimmten Richtung hinter 
einander lagen. Von Rom ging es aus und von da wurde nach rechts und links weiter 
konstruiert. Da das römische Reich in Anlehnung an das Mittelmeer seine größte 
Ausdehnung ostwestlich besaß, stellte sich für den Verfasser die Nordung der Karte 
gleichsam von selbst ein. Außer den Wegen und hauptsächlichsten Orten sind Flüsse 
und Gebirge in die Karte mit aufgenommen, letztere beiden sicherlich in der Absicht, 
die Verkehrshindernisse zu zeigen. Die Größen Verhältnisse der einzelnen Verwaltungs 
gebiete nur einigermaßen im Kartenbilde widerzuspiegeln, gelang keiner römischen 
Karte, also auch nicht der Peutingerschen. Selbst auf der Weltkarte der Agrippa, 
die vielfach als die großartigste Leistung der Römer auf dem Gebiete der Geographie 
gefeiert wird, finden wir nur Zahlenangaben für Größenverhältnisse. 
Weil weder eine Projektion zugrunde liegt, obwohl Ptolemäus ein Vorbild hätte 
geben können, noch die Position der Orte stimmen, hat man über die Karte gespottet; 
bei aller Gelehrsamkeit hat man jedoch den reichen und wertvollen Inhalt übersehen, 
den uns Miller in seinem neuen Werke vollständig erschlossen hat. Um die Karte zu 
würdigen muß man sein alltägliches kartographisches Denken umstellen und genau 
sich die Frage vorstellen: Was will der Verfasser ? Wie ist die Karte seinen Ideen gerecht 
geworden? Der Verfasser wollte lediglich eine Straßenkarte oder sagen wir eine Routen 
karte des römischen Weltreiches geben. Ihm kam es darauf an, die Ausgänge und 
Verbindungen der Wege zu zeigen und die Entfernungen der einzelnen Wegstrecken 
von Ort zu Ort in römischen Meilen (= P^km oder x / 4 Stunde Wegmaß) anzugeben. 
Daneben sehen wir die wichtigem Verkehrsorte in Vertikalansicht eingezeichnet. Die 
Lage der kleinern Orte wird durch eine Knickung der Weglinie markiert, in die hinein 
bequem der Name des betreffenden Ortes hineingeschrieben wurde. Auf diese simple 
wie plausible Deutung der „Wegeknickungen“ oder der sogenannten ,,Haken“ war 
bis jetzt noch niemand außer Miller verfallen. Die Haken vertreten die Signatur für 
Orts-Punkt und -Kreis der modernen Karte. 
Die Unmöglichkeit der'Positionsbestimmung der einzelnen Orte ist eine weitere 
Folge der Vernachlässigung eines Projektionsnetzes. Das gibt vielen einen Anlaß, 
von der Unwissenschaftlichkeit und dem Machwerk zu reden, das in der Peutinger 
schen Tafel vorliegt, und sie weisen mit Stolz auf Ptolemäus hin. Nur gemach! Ein 
gehendere Untersuchungen haben doch bereits zur Genüge ergeben, daß bei Ptolemäus 
Positionsirrtümer von 30—50 Meilen und mehr Vorkommen. Dagegen kann man nach 
Wegemaß auf der Tabula Peutingeriana die Orte bis auf eine Viertelstunde fest 
legen. Das ist ein Vorzug der Karte des Castorius, der uns die Vernachlässigung einer 
Projektion bei einer derartig alten Karte gern vergessen läßt. Und überzeugt stimme 
ich in das Millersche Lob der Karte ein: „Das Werk, welches Castorius durchgeführt hat,
	        
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