Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
Roma XXVIII, nach Venetiae XXX, nach Reginospurgum XXX, nach Carra IX, 
nach Ecbatana XXII, nach Ninus XXIX, nach Babylon XIII und Susa XVIII. Das 
16. Jahrhundert scheint jedoch im großen ganzen spärlich mit derartigen Karten 
ausgerüstet gewesen zu sein. Vielleicht gehört hierher die Carte militaire du moyen 
äge. 1 Über ihre Entstehung und erstmalige Veröffentlichung vermochte ich nichts 
Bestimmtes zu eruieren. Auf ihr ist das Gebiet nördlich vom Po bis zum Garda- und 
Corner See zu sehen. Das halb vogelperspektivische Bild zeigt mächtige Berge, zwischen 
die die Seen und Städte gestreut sind. Die Städte hinwiederum sind durch einfache 
Striche verbunden, die von Stadttor zu Stadttor laufen. An sie ist die Entfernung 
zwischen den einzelnen Orten in Meilen angeschrieben, z. B. M. 10, M. 18, M. 12 usf. 
England, wo der Wegebau — nachdem er seit der Römerzeit wenig gefördert 
worden war — gegen Ende des 15. Jahrhunderts und besonders im 16. Jahi hundert wieder 
tatkräftig einsetzte, bescherte uns eine ganze Anzahl von Reisekarten, die als Erstlinge 
der Neuen Zeit gelten können. London ist das Zentrum dieser Karten. Es hat ja seither 
verstanden, nicht bloß den Weltverkehr sondern auch den Verkehr des eigenen Landes 
in sich aufzusaugen und auch wieder auszustrahlen. Die dominierende Stellung Londons 
für das eigene Land spricht sich überraschend 
in ältern englischen Verkehrskarten aus, die ich 
Verkehrs-Speichenkarten nennen möchte. 
Sie kann man als eine Art Vorläufer der 
modernen Isochronenkarten auffassen, ein Mittel 
ding zwischen den gewöhnlichen Wege- und den 
Isochronenkarten. Bild 18 gibt das Schema einer 
derartigen Verkehrs-Speichenkarte an. London 
erscheint als Kreis oder Ellipse im Mittelpunkt 
der Karte; von ihm strahlen nach den ver 
schiedenen Himmelsrichtungen fast gleich breite 
Straßenbänder aus. Innerhalb eines jeden Straßen- 
bandes sind die Entfernungen in möglichst gleich 
großen Meilenstücken angegeben. Kleinere Orte werden mit einem kleinen Ringel, 
größere mit einem Doppelring in das Straßenverkehrsband hineingezeichnet; inner 
halb des Doppelringes steht die wirkliche Entfernung des Ortes von London. Die 
Verbindungswege zwischen den einzelnen Orten sind nur mit einfachen dünnen 
Linien gegeben. 
Soweit ich die Entwicklung dieses Kartentypus in der umfangreichen Karten 
sammlung des Britischen Museums verfolgen konnte, fand ich die erste derartige, 
höchst primitiv gezeichnete Karte, sogar ohne Landumriß, aus dem Jahre 1679 (London) 
unter dem Titel ,,The Grand Roads of England“, entworfen von William Berry. 
Etwas vollkommener gezeichnet ist eine ähnliche Karte von Joh. Seiler, London 
1680 (?). Um 1680 veröffentlichte Arthur Tooker seine Travelling map of England 1 2 , 
auf der von London aus Wegstrecken von 10 zu 10 Meilen besonders durch Ziffern 
markiert werden. Die einzelnen Meilen der 10-Meilenstrecke werden durch Punkte 
1 Carte militaire du moyen-âge représentant le théâtre de la guerre à l’époque des premières 
conquêtes de la République de Venise en terre ferme, s. 1., s. a. [Na.-Bi. Paris.] 
2 A. Tooker: A travelling mapp of England containing the principall roads. London (1680). 
[Br. M. London.]
	        
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