Die geschichtliche Entwicklung der Verkehrskarte.
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lieh sei noch der Post- und Reisekarte von Tirol und Vorarlberg von Fr. K. Zoller
gedacht-. 1
Hier und da taucht bei den eben erwähnten Post- und Reisekarten das Bild der
Eisenbahnen auf, deren Bau ja in jenen Jahrzehnten einsetzte. Der Titel ändert sich.
Vielfach heißt es ,,Reise- und Eisenbahnkarte“. Die ,,Postkarte“ verschwindet.
Schließlich bleibt die Eisenbahnkarte allein als dominierende übrig, während die Reise
karte als „Touristenkarte“ einen ganz andern Weg eingeschlagen hat.
227. Zur Geschichte der Eisenbahnkarte. Obwohl in England der erste Personen
zug auf der Strecke Stockton—Darlington am 25. September 1825 fuhr und die Liver
pool—Manchesterbahn am 15. September 1830 eröffnet, obwohl in England durch
Bradshaw’s-Railway time tables and assistant to railway travelling with illustrative
maps and plans, London 1839, das Urbild des modernen Kursbuches geschaffen worden
war, wurde das Kartenbild der Eisenbahnen vorzugsweise in Deutschland gefördert.
Die kartographische Darstellung der Eisenbahnlinien war eine nächste Folge des Eisen
bahnbaues selbst. In Deutschland ist sogar der kartographische Entwurf dem Bau der
Eisenbahnen vorausgeeilt. Das berühmteste Denkmal dieser Art ist das Kärtchen, das
der große Nationalökonom Friedrich List seiner Schrift: „Über ein sächsisches
Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems, und
insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden“, Leipzig
1833, beifügte, worauf die künftigen Eisenbahnlinien Deutschlands verzeichnet waten,
wie die Linien von Basel nach Frankfurt, von Frankfurt nach Cassel, Hannover und
Bremen, sowie nach Gotha, Leipzig und Berlin, das einerseits über Magdeburg, Braun
schweig und Hannover mit Minden und Cöln in Verbindung gesetzt ist, andererseits
seine Eisenbahnarme nach Pommern, Westpreußen und Schlesien aussandte. Leipzig
wurde, weil es, wie sich List ausdrückte, die Herzkammer des deutschen Binnenverkehrs,
des Buchhandels und der deutschen Fabrikindustrie ist, als ein Zentrum gedacht,
das mit Dresden und Prag, mit Berlin, Halle, Magdeburg und durch eine große Bahn
linie, die von Thüringen über Bamberg, Nürnberg, Augsburg, München nach Lindau
fährt, mit dem deutschen Süden verbunden ist. Obwohl die deutsche Kleinstaaterei,
Kleinkrämerei und Kirchturmspolitik dem Listschen Projekte Hundert Schwierigkeiten
bereitete, war es in kaum 15 Jahren verwirklicht worden. Den Anfang zu diesem großen
Eisenbahnnetz machte der 1833 geplante, 1835 beschlossene und staatlich genehmigte
Bau einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, des ersten großem Bahnbaues inner
halb Deutschlands.
Als erste wirkliche Eisenbahnkarte begegnete mir Smith’s Railway map aus
dem Jahre 1836. 1 2 Darauf sind die Bahnen als Doppellinien gezeichnet und die fertigen
Strecken schwarz auskoloriert. Der Karte folgte 1838 die Railway map of England
and Wales 3 , worauf die fertigen Bahnen in schwarzer Linie, die projektierten in ge
strichelter erscheinen. Aus dem gleichen Jahre meldet sich ein kleines Kärtchen
1 Fr. K. Zoller: Post- u. Reisek. v. Tirol u. Vorarlberg. Berichtigt v. C. v. Jenner. Inns
bruck 1831. [Un.-Bi. Göttingen.] — Darauf werden folgende Straßen untex-schieden: 1. Post u.
Comialstr. (mit Zeitangabe), 2. ärarialische Commerzial Straße, 3. Comunal Weg u. 4. Saumschlag
u. Fußweg. — An den Seiten der K. befinden sich Städte-, gute Tiroler u. Vorarlberger Trachten
bilder; in einer Ecke der K. wird sogar ein Schuhplattltanz dargestellt.
2 Smith’s Railway map, London 1836. [Br. M. London.]
3 Railway map of Engl, and Wales. London 1838. [Br. M. London.]