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Wirtschafts- und Verkehrskarte.
in die Volksschulatlanten einzog. 1 Heute gibt es noch hie und da Gegner der Eisen
bahnlinien auf Schulkarten. H. Zondervan wünschte sie seinerzeit nur auf der
Karte des Vaterlandes, außerhalb desselben „ist es hingegen erwünscht, sie alle fort
zulassen; denn wenn nur einzelne angegeben werden, so kann dies leicht zu falschen
Ansichten führen, dabei hält es oft schwer, die richtige Auswahl zu treffen und endlich
ist es in vielen Fällen, z. B. bei den Alpenbahnen, nicht leicht, die Anfangs- und
Endpunkte zu wählen.“ 1 2 Diese Ansicht dürfte heute kaum noch geteilt werden;
der geographische Unterricht, insonderheit auch der der Volksschulen, weiß mit den
Verkehrslinien auch außerhalb des Vaterlandes recht wohl etwas anzufangen und
richtige Deutung und Verständnis der Linien dürfte der heutige Geographielehrer
leicht vermitteln. Gewiß ist die Auswahl der Linien nicht ganz leicht. Aber der
Kenner der Verkehrs Verhältnisse, mit dem sich der gewissenhafte Kartograph nur
zu verbinden braucht, wird die richtigen Strecken schon auszuwählen wissen: Vor
züglich sind es die großen, die Kontinente durcheilenden Schnellzugslinien, die wieder
zugeben sind.
Welch deutliches Bild von der kulturellen Erschließung Afrikas geben die
einzelnen Eisenbahnen, die sich von Jahr zu Jahr tiefer in den kulturwiderspenstigen
afrikanischen Körper hineinbohren. Außerdem bleibt es immer noch den von be
stimmten Zwecken geleiteten Karten Vorbehalten, durch eine kräftige Farbengebung
bestimmte nationale oder verschiedene wichtige Verkehrsstränge hervorzuheben, wie
Überlandstraßenzüge oder die Fischbahnen, die z. B. London mit allerhand Meeres
erzeugnissen versorgen oder die von Hamburg und Geestemünde aus nach Berlin,
Leipzig, nach den großen Städten des katholischen deutschen Westens und Südens
führen. Schon 1878 hob C. Vogel auf der Karte des Deutschen Reichs und seiner
Nachbarländer zur Übersicht der Eisenbahnen und Dampfschiffahrten die „Eisen
bahnen mit Courier-Zügen“ durch gelbe Farbe hervor. 3
Die Auslese der wuchtigsten Routen ist auch für die Weltkarten angebracht,
die die ozeanischen Verkehrsrouten veranschaulichen. Ihre ganze Anzahl zu geben ist
schon auf Karten mit einem Äquatorialmaßstab von 1:20 Mill. ausgeschlossen. Vor
Jahren, als E. Behm seine Verkehrskarte von Mitteleuropa zeichnete, war es noch
möglich, die Summe der von einem Hafen ausgehenden Routen in ein Strahlenbüschel
zu vereinen, für unsern gegenwärtigen Verkehr ist diese Darstellung nicht mehr an
gebracht, selbst auf einer Verkehrskarte von Afrika, wie sie E. Friedrich entworfen
hat. Die Unübersichtlichkeit, d. h. die Schwierigkeit der Zählung der einzelnen
Routen, wächst progressiv zur Anzahl der Routen. Selbst ein Strahlenbüschel mit
zehn Routen ist bereits übersichtslos. Sehr gut kann man sich so helfen, daß man
das Strahlenbüschel direkt als ein Segment zeichnet, als welches es von weitem
sowieso erscheint, und in die Segmentfläche die Anzahl der Routen mit Ziffern ein
schreibt. Gut ist es, wenn man für die Büschel- bzw. Segmentform zwei Farben,
je für Ein- und Ausfuhr wählt. Für die europäischen Häfen wäre es angebracht, mit
1 Den Verkehrswegen auf Volksschulatlanten redete ich 1897 auf dem Deutschen Lehrertag
zu Breslau das Wort; denn bis dahin zeigten die deutschen Volksschulatlanten prinzipiell keine Verkehrs
wege oder hatten nur hier und da einen mehr oder minder mißglückten Versuch gemacht. Zu meiner
Freude kann ich feststellen, daß meine Worte damals nicht unter den Tisch fielen, und daß sich
in bezug auf Verkehrswege bald ein gründlicher Wandel auf den Volksschulkarten vollzog.
2 H. Zondervan: Allgemeine Kartenkunde. Leipzig 1901, S. 185.
3 C. Vogel i. P. M. 1878, T. 10.