Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Wesen und Aufgaben der Verkehrskarte. Allgemein Methodisches. 
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verschiedenen Farben die Linien zusammenzufassen, die nach Amerika, Afrika, Asien 
und Australien laufen. Die Linien könnten auf ihrer Anfangsstrecke unterbrochen 
werden, um anzudeuten, daß von ihnen gleichfalls europäische Häfen berührt werden. 
Umzieht man das Strahlenbüschel der einzelnen Verkehrshäfen mit kräftigen 
geraden Linien, resultiert daraus die Dreiecksform. Sie begegnet uns als ,,Hafen 
dreieck“ in Westermanns Weltatlas, wobei 1 qmm = 1 Mill. Reg.-t. Hafenverkehr 
bedeutet, auf den Erdkarten 1 qmm = 4 Mill. Reg.-t. Besitzt ein Dreieck die Grund 
linie von 1 mm und die Höhe von gleicher Größe, wird der Verkehrsumfang von 
Y 2 his 1 Mill. Reg.-t angezeigt, bei einer Grundlinie von 2 mm und der entsprechenden 
Höhe von 2 mm ein Verkehrsumfang von 2 bis 2Y 2 Mill. Reg.-t usf. Zweifellos ist 
dies ein sinniges Verfahren, nur hat es den Nachteil, daß sich der Gesamtverkehr — 
abgesehen von der rein äußerlichen Wertabschätzung — nicht ohne weiteres ablesen 
läßt und man immer gezwungen ist, auf der Karte nachzumessen und dann zu be 
rechnen, was schließlich eine Tabelle viel sicherer und schneller ergibt. Ist das Dreieck 
ein kleiner Fortschritt in der Veranschaulichung des Verkehrs, ist es doch keine 
Lösung des Problems, wenn nicht eine schnell orientierende Kennziffer dabei steht 1 
oder ein Ausweg in der Farben- und Signaturengebung gefunden wird. J. G. Bar- 
tholemew hat in seinem Atlas of the'worlds commerce auch keine Lösung gefunden und 
sich damit begnügt, den Verkehr durch farbige Kreisdiagramme besonders darzustellen. 
237? Zur Physiognomie der Eisenbahnkarte. Dieses Kapitel könnte ich mit 
keinem bessern Wort einleiten als mit dem, das M. M. v. Weber an die Spitze seiner 
Abhandlung ,,Die Physiognomien der Eisenbahnsysteme bei den Hauptkulturvölkern“ 
gestellt hat: „Wenn die Karte eines Landes als eine Art von Porträt desselben an 
gesehen werden darf, so bilden darin die Linien, welche die Verkehrswege andeuten, 
die physiognomischen Züge, welche die Zivilisation in dies Bildnis gezeichnet hat. 
In unserer Zeit, wo die Eisenbahnen die Erscheinung der andern Verkehrsmittel in 
den Hintergrund gedrängt haben, bilden ihre Trassen die ausdrucksvollsten unter 
diesen. Die politische und wirtschaftliche Struktur des Landes spiegelt sich in der 
Verteilung und Anordnung dieser Linien über seine Fläche, die physikalische in deren 
Lauf und Bewegung in derselben. Die Zentren der Industrie und des Handels zeigen 
sich dicht schattiert von Eisenbahnlinien, sternförmig sammeln sie sich um die Ver 
waltungsschwerpunkte der Reiche, geradlinig schießen sie durch das Flachland, 
mäandrisch und anscheinend kapriziös gekrümmt, winden sie sich durch den Ge- 
birgsbereich, breite Flächen lassen sie im sterilen Hochlande, in unwirtbaren Distrikten 
frei.“ 1 2 Aus den Worten Webers geht hervor, daß die Eisenbahnen eine große wirt 
schaftliche und politische Bedeutung haben, der ich noch die militärische beifügen 
möchte. Um zur Klarheit über diese Bedeutung zu gelangen, ist die Karte das ge 
eignetste Mittel. Gerade sie ist es, die vielen Wirtschaftlern und Staatsmännern 
die Augen geöffnet hat, um teils mit Eisenbahnkonzessionen, teils mit dem wirklichen 
Eisenbahnbau da einzusetzen, wo sich Lücken vorfinden, die sich weder wirtschaftlich 
noch politisch, noch militärisch rechtfertigen lassen. 
In wirtschaftlicher Hinsicht kann die Eisenbahnkarte von verschiedenen 
Ideen beseelt sein. Entweder nehmen sie auf den Verkehr an sich Rücksicht oder 
1 Vgl. auch das, was ich darüber oben S. 137 ausgeführt habe. 
2 Max Maria v. Weber: Vom rollenden Flügelrade. Skizzen u. Bilder. Berlin 1882, S. 150.
	        
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