Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
in deren ersten Anfängen erkannte, beweist die „Militärische Eisenbahnkarte für 
Deutschland“ aus dem Jahre 1842. 1 Manche Eisenbahnstrecken führen heute noch 
den Namen „Militärbahn“. Die reine Militäreisenbahnkarte ist eine Erscheinung 
neuern Datums, vielleicht seit 1870 1 2 , also von der Zeit an, da durch die Expansion 
der hauptsächlichsten europäischen Kulturvölker jedes Fleckchen Erde besetzt 
wurde, teils als Kolonie teils als Konzessionsgebiet. Afrika insonderheit wurde 
der Kontinent der Kolonien und Asien der Kontinent der Konzessionen. Erinnert 
sei bloß an die Eisenbahnkonzessionen der asiatischen Türkei 3 , in China, in Persien. 
Hier suchte Rußland durch Bahnbaukonzessionen dem englischen Übergewicht im 
persischen Seeverkehr entgegenzuarbeiten. 4 Wird doch die transkaspische Eisenbahn 
amtlich geradezu „Kriegsbahn“ genannt, da sie trotz ihres hohen wirtschaftlichen 
Wertes vorzugsweise gegen Britisch-Indien gerichtet ist. Ebenso stand Westruß 
land durch seine Militäreisenbahnen weit über dem Maß gewöhnlichen politischen 
Interesses. 5 Jede Kriegszeit hat ihre Eisenbahnkarte erzeugt, so der Krieg von 
1870/71 wie auch der letzte Weltkrieg. 
238. Moderne Straßenkarten. Automobilkarten. Schiroutenkarten. Die moderne 
Straßenkarte ist eigentlich die topographische Karte großen Maßstabs, etwa in 1:10000 
bis 1:50000, sowie die Kataster karte. Besondere Karten, die es lediglich mit den 
Landstraßen zu tun haben, werden für größere Gebiete nicht mehr herausgegeben. 
Die Katasterkarte befriedigt alle dahinzielenden Ansprüche, wie es auch die neue 
topographische Grundkarte in 1:5000 tun wird. Die Sonderstraßenkarte gehört 
heute der Straßenbauverwaltung an. Daneben werden außerordentliche Zeitläufte 
außerordentliche Karten hervorrufen; so auch in bezug auf Straßenkarten. Bei 
spielsweise ist die Karte Belgiens in 1:100000, die England schon einige Jahre vor 
dem Weltkriege als geheime Kriegskarte vorbereitet hatte, ihrem Wesen nach in 
der Hauptsache eine Straßenkarte, auf der sich durch Buntdruck außer den Eisen 
bahnen vor allem die Landwege je nach ihrer Güte scharf hervorheben. Wegen Kriegs 
material- und Truppenbewegung war diese Karte den Engländern für ihr kontinentales 
Glacis sehr wichtig. 
Die ältere Straßen- bzw. Postkarte findet sich gewissermaßen rediviva in der 
modernen Automobilkarte oder kurzweg Autokarte. Sie dient dem Automobi 
listen in gleicher Weise wie dem Radfahrer. Im Gegensatz zu den alten Postkarten 
heben die Autokarten die Wälder meist durch Gründruck hervor. Die echte Auto 
karte gehört der Zukunft an, sobald sie die selbständigen Autostraßen, deren ersten 
Anfänge in der Nähe von verkehrswichtigen Großstädten nachweisbar sind 6 , wiedergeben 
1 Militärische Eisenbahnk. f. Deutschi. 1:2650000. Berlin bei Sira. Schropp & Co., 1842. 
[K. Bi. Berlin.] 
2 Einen Anfang zu diesen Militäreisenbahnkarten bildete „Das mitteleuropäische Eisenbahn 
netz beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870“ von C. Vogel. 1: 3500000. — Wieder 
abgedruckt i. P. M. 1911, I, T. 60. 
3 Vgl. C. Imhoff: Die Eisenbahnkonzessionen i. d. asiatisch. Türkei i. J. 1914. 1 : 5000000. 
P. M. 1915, T. 37. 
4 Vgl. Militärgeogr. Übersicht von Persien. P. M. 1911, I, T. 30. 
5 Vgl. G. Kuchinka: Militärgeogr. Skizze des Polesic (West-Rußland). 1 : 1500000. P. M. 
1911, II, T. 40. 
6 Vgl. H. Müllermeister: Rheinische Autobahnen bei Köln. Kölnische Volkszeitung 1924, 
10. Dez.
	        
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